VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 17.01.2005 - 5 K 523/04.TR - asyl.net: M6220
https://www.asyl.net/rsdb/M6220
Leitsatz:
Schlagwörter: Kamerun, SCNC, Demonstrationen, Haft, Misshandlungen, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Demonstrationen, Überwachung im Aufnahmeland, Hilfsantrag, Abschiebungshindernis, Entscheidungsgegenstand, Gesetzesänderung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 2 - 7
Auszüge:

Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob die Angaben des Klägers über sein Schicksal in Kamerun glaubhaft sind und ihm im Zeitpunkt seiner Ausreise aus seinem Heimatland dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohte, denn jedenfalls besteht zur Überzeugung des Gerichts für den Kläger aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeiten in Deutschland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, in Kamerun bei einer Rückkehr dorthin Verfolgungsmaßnahmen von derartigem Gewicht ausgesetzt zu sein, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG besteht.

Aufgrund der insoweit glaubhaften Angaben des Klägers und der von ihm vorgelegten Unterlagen sowie der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akte der Staatsanwaltschaft Bonn ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger an exilpolitischen Veranstaltungen vor der Botschaft Kameruns in Bonn teilgenommen hat, hierbei von Botschaftsangehörigen gefilmt wurde und deshalb ungeachtet dessen, dass die Staatsanwaltschaft Bonn gegenüber der Botschaft keine Angaben zur Person des Klägers gemacht hat, bei der Ausstellung von für eine Rückkehr in sein Heimatland erforderlichen Reisepapieren identifiziert und deshalb als Regierungsgegner eingestuft werden wird, dem in seinem Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen drohen.

Kamerun ist kein Rechtsstaat, es gibt jährlich eine lange Liste von Übergriffen staatlicher Sicherheitsorgane in den einschlägigen Menschenrechtsberichten (vgl. Institut für Afrikakunde, Stellungnahme vom 7. Dezember 2003 an das VG Freiburg im Verfahren 2 K 10611/03, asylis), wobei der SCNC als eine illegale Vereinigung angesehen wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2004 - 508-516.80/42232 -) und eine Verbindung eines kamerunischen Staatsangehörigen zum SCNC für diesen in der Vergangenheit wiederholt schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch Akteure der kamerunischen Staatsorgane zur Folge hatte (vgl. Institut für Afrikakunde, Stellungnahme vom 8. Oktober 2004 an das VG Sigmaringen im Verfahren 3 K 10727/03, asylis). Die Frage, ob die Personalien inhaftierter Anhänger und Aktivisten des SCNC generell erfasst und gespeichert werden, lässt sich zwar nicht abschließend beantworten, da solche Praktiken der Staatsorgane aus Gründen der Sicherheit und des Machterhalts im Interesse des Regimes geheim gehalten werden. Aus der Charakteristika des kamerunischen Staats lassen sich allerdings deduktiv Schlussfolgerungen ableiten, für die eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit spricht: Da sich der kamerunische Staat im öffentlich sichtbaren Teil seiner Herrschaftssicherung und Machtausübung durchaus moderner, technologisch anspruchsvoller Hilfsmittel bedient, ist davon auszugehen, dass er dies auch in dem nicht sichtbaren Teil seiner Tätigkeit praktiziert. Daraus folgt die Wahrscheinlichkeit, dass er zum Beispiel Daten von Regierungsgegnern allgemein und von SCNC-Anhängern und SCNC-Aktivisten im besonderen erfasst und speichert, um im Eventualfall gegen bestimmte Personen vorgehen zu können. Von daher ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der kamerunische Staat über klare Informationen über zumindest einen Großteil von Regimegegnern bzw. SCNC-Anhängern und SCNC-Aktivisten verfügt.

Ausgehend hiervon ist das Gericht der Überzeugung, dass die kamerunische Botschaft Kenntnis von der Person des Klägers hat, ihn bei der Ausstellung erforderlicher Reisedokumente identifizieren und dem SCNC zuordnen wird, so dass für ihn im Falle der Rückkehr in sein Heimatland die Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen besteht.

Von daher erweist sich die unter Nr. 2 des Bescheides getroffene Entscheidung zu § 51 Abs. 1 AuslG, die in dem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG enthalten ist, als rechtswidrig und steht dem Kläger ein Rechtsanspruch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zur Seite.

Dies hat zur Folge, dass über den weiterhin gestellten Antrag des Klägers zu § 60 Abs. 2 bis 5, Abs. 7 AufenthG nicht mehr zu entscheiden ist....

Diese Ausführungen sind zur Überzeugung der Kammer auf die seit dem 1. Januar 2005 geltenden Bestimmungen des § 60 AufenthG übertragbar, so dass es keiner Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5, Abs. 7 AufenthG mehr bedarf, weil das Begehren insoweit bei verständiger Würdigung nur hilfsweise geltend gemacht wurde.

Allerdings ist die das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG verneinende Entscheidung der Beklagten aufzuheben, weil eine Prüfung, ob im FaII des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestanden, zu unterbleiben hatte. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG kann das Bundesamt von einer Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG bzw. 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG absehen, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt oder das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 AuslG bzw. 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt wird. Vorliegend steht - wie ausgeführt - dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des

§ 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG erfüllt sind. Dies hat zur Folge, dass die das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 AuslG verneinende Entscheidung der Beklagten aufzuheben ist, da von einer sachlichen Entscheidung hinsichtlich dieser Bestimmung, die inhaltlich weitgehend § 60 Abs. 2 bis 5 und Abs. 7 AufenthG entspricht, abzusehen war.