OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 15.02.2005 - 2 W 68/04 - asyl.net: M6221
https://www.asyl.net/rsdb/M6221
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Jugoslawen, Kosovo, Roma, Ashkali, Duldung, Aufenthaltsbefugnis, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Vorwegnahme der Hauptsache, Gesetzesänderung, Abschiebungshindernis, Freiwillige Ausreise, Zumutbarkeit, Erlasslage
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; VwGO § 123
Auszüge:

Die vom Antragsteller dargelegten Beschwerdegründe, die gemäß § 146 IV 6 VwGO den Rahmen der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts festlegen, führen zum teilweisen Erfolg der Beschwerde.

Soweit er mit der Beschwerde - und zwar erstmals im gerichtlichen Verfahren - die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens begehrt, bleibt diese allerdings schon deshalb ohne Erfolg, weil sie auf eine - hier zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht erforderliche - Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, die nur ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn ansonsten die zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und außerdem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 123 Rdnr. 14 m.z.w.N.). Im Übrigen ist die Erteilung dieses Aufenthaltstitels nach Außerkrafttreten des AuslG und Inkrafttreten des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) zum 1.1.2005 (vgl. Art. 15 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30.7.2004 (BGBI. 1 S. 1950)) nicht mehr möglich, da er im AufenthG, das nur noch Visum, Aufenthaltserlaubnis und Niederlassungserlaubnis kennt (§ 4 I AufenthG), nicht mehr vorgesehen ist und eine Entscheidung nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht gemäß § 104 I AufenthG nur noch für vor dem 1.1.2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung zulässig ist. Auch eine Auslegung seines Antrags dahingehend, dass er nunmehr auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG gerichtet sei, scheidet wegen der Unzulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache vorliegend aus, da kein eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigender Sachverhalt vorliegt.

Allerdings hat der Antragsteller entgegen der erstinstanzlichen Auffassung einen Anspruch auf Aussetzung seiner Abschiebung (Duldung) bis zu dem von ihm in der Beschwerde genannten Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung glaubhaft gemacht.

Nach § 60a II AufenthG wird die Abschiebung eines Ausländers ausgesetzt, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird; damit entspricht die neue Regelung in Bezug auf die Voraussetzung der Unmöglichkeit der Rückkehr der bisherigen Regelung des § 55 II AuslG, wonach einem Ausländer eine Duldung erteilt wird, solange u.a. seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist.

Die Unmöglichkeit seiner Abschiebung wie auch seiner vom Verwaltungsgericht als möglich angesehenen freiwilligen Ausreise leitet der Antragsteller aus seiner behaupteten Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma und aus dem nach wie vor geltenden Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 23.5.2003 her, nach dem Angehörige von Minderheiten aus dem Kosovo, insbesondere auch Ashkali, mit Ausnahme jedoch von Serben und Roma, abweichend von der bis dahin geItenden Regelung zurückgeführt werden können.

Allerdings ist die Volkszugehörigkeit des Antragstellers zwischen den Beteiligten streitig. Der Antragsgegner stützt sich ausschließlich auf die von ihm eingeholte Auskunft des "Kosovo Information Project" ("KIP"), wonach der Vater des Antragstellers Ashkali sei, und leitet hieraus die Volkszugehörigkeit des Antragstellers ab. Der Antragsteller ist dem entgegen getreten und hat die Richtigkeit dieser Auskunft bestritten.

Ist nach allem offen, ob der Antragsteller Roma im Sinne des Erlasses des Ministeriums für Inneres vom 23.5.2003 ist und deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil er in seiner Heimat - auch aus der Sicht der Innenministerkonferenz - erheblichen Gefährdungen ausgesetzt wäre, so ergibt eine hauptsacheoffene Intessenabwägung, dass dem privaten Antragsteller-Interesse an einem weiteren Verbleib in Deutschland angesichts seiner möglichen Gefährdung bei einer Rückkehr Vorrang vor dem öffentlichen Interesse daran gebührt, dass die Ausreisepflicht eines möglicherweise zur Volksgruppe der Ashkali gehörenden und somit nicht durch den vorgenannten Erlass geschützten Ausländer vollzogen wird.