OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 06.01.2005 - 1 Bs 513/04 - asyl.net: M6286
https://www.asyl.net/rsdb/M6286
Leitsatz:

Zur Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts eines ausländischen Ehepartners nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann nach § 31 Abs. 1 AufenthG ausreichen, dass er Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG besaß.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltsbefugnis, Erlöschen, Auslandsaufenthalt, Familienangehörige, Eigenständiges Aufenthaltsrecht, Ehescheidung, besondere Härte, Physische Misshandlugen, Psychische Misshandlungen, Psychische Erkrankung, Zuwanderungsgesetz, Gesetzesänderung, Aufenthaltserlaubnis, Gleichstellung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: AuslG § 30; AufenthG § 31 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 101 Abs. 2; AuslG § 44 Abs. 1 Nr. 2; AufenthG § 31 Abs. 4
Auszüge:

Zur Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts eines ausländischen Ehepartners nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft kann nach § 31 Abs. 1 AufenthG ausreichen, dass er Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG besaß.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Der Senat ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2004 an.

Die bislang auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gerichtete Klage beinhaltet nach dem Inkraftreten des Aufenthaltsgesetzes eine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Erfolgsaussichten dieser Klage sind nach dem Aufenthaltsgesetz zu beurteilen. Im Ausländerrecht ist bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen, wenn es darum geht, ob aus Rechtsgründen ein Aufenthaltsrecht erteilt oder versagt werden muss (BVerwG, Urt.v.16.6.2004 -1 C 20/03-, InfAuslR2004 S. 427, 428; U.v.. 22.1.2002- 1 C 6/01 -,NVwZ 2002 S. 867 st. Rspr.).

Der Antragstellerin dürfte ein Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zustehen. Gem. § 31 Abs. 1 AufenthG wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft dem Ehegatten die Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht verlängert, wenn u.a. die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war. Von dem zweijährigen rechtmäßigem Bestand der Ehe ist gem. § 31 Abs. 2 AufenthG abzusehen, wenn es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermög!ichen.

Zwar besaß die Antragstellerin keine Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich eine

AufenthaItsbefugnis nach den Vorschriften des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990 m. spät. Änd., als sie am 7. Oktober 2002 den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung stellte. Diese Aufenhaltsbefugnis ist aber einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach neuem Recht gleichzustellen. Gem. § 101 Abs. 1 AufenthG gelten die vor dem 1. Januar 2005 erteilten Aufenthaltsberechtigungen oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse als Niederlassungserlaubnis fort und nach § 101 Abs. 2 AufenthG die übrigen Aufenthaltsgenehmigungen als Aufenhaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zu Grunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Diese Fortgeltung als Aufenthaltserlaubnis gilt auch für Aufenthaltsbefugnisse. Somit gelten die am 31. Dezember 2004 laufenden Aufenthaltsbefugnisse als Aufenthaltserlaubnis fort mit der Folge, dass sie eine Grundlage für die Verlängerung nach § 31 AufenthG bilden. Dies gilt entsprechend für die - wie im vorliegenden Fall- noch unter Geltung des alten Rechts abgelaufenen Aufenthaltsbefugnisse, über deren Verlängerung am 31. Dezember 2004 noch nicht abschließend entschieden worden ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber diese Fälle von der Besserstellung nach neuem Recht hätte ausschließen wollen (vgl. BVerwG,Urt.v.16.6.2004 - 1 C 20/03 -InfAuslR 2004 S.427, 428).

Die der Antragstellerin am 13. Dezember 1999 erteilte Aufenthaltsbefugnis war nicht durch ihre Rückreise in den Iran am 6. Juli 2000 erloschen. Bei Prüfung dieser Frage ist maßgeblich auf die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt abzustellen. Gem. § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990 erlosch die Aufenthaltsgenehmigung, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreiste. Hier waren offensichtlich die Eheprobleme der Grund für die Heimreise der Antragstellerin. Dies spricht eher für die Annahme einer nicht nur vorübergehenden Ausreise, wie auch die relativ lange Zeit des Aufenthalts im Iran, nämlich vom 6. Juli bis 15. Dezember 2000.

Dem steht jedoch entgegen, dass die Antragstellerin am 3. Juli 2000 wenige Tage vor ihrer Ausreise ihrem Ehemann eine Vollmacht zur Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung bei der Ausländerbehörde erteilt hatte (BI. 74 d.AusIA). Dieser Umstand macht deutlich, dass sie in die Bundesrepublik zurückkehren und nur vorübergehend in den Iran ausreisen wollte.

Die eheliche Lebensgemeinschaft hat allerdings nicht zwei Jahre gedauert, wie § 31 Abs. 1 AufenthG weiter voraussetzt.

Von der Voraussetzung des zweijährigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ist jedoch gem. § 31 Abs. 2 AufenthG abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, es sei denn für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Der von der Antragstellerin substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemachte Sachverhalt führt zu der Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG.

Es spricht einiges dafür, dass der Antragstellerin wegen der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der Lebensgemeinschaft mit ihrem früheren Ehemann unzumutbar war, und somit eine besondere Härte im Sinne der zweiten Alternative des § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG vorliegt.

Sie dürfte psysischer und psychischer Misshandlungen ihres Ehemannes ausgesetzt gewesen sein. Sie hat die Geschehnisse in ihrer Ehe in immer gleicher Weise bei der Ausländerbehörde und den Gerichten über die Jahre hinweg im einzelnen überzeugend und glaubwürdig geschildert. Von Beginn ihrer Ehe an war sie jeglicher freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit beraubt. Die Antragstellerin hatte im Wege der Stellvertretereheschließung im September 1999 in Abwesenheit ihres in Deutschland lebenden Ehemannes die Ehe geschlossen. Sie war damit nicht einverstanden, sondern fügte sich dem Willen ihrer Familie. Nachdem sie in das Bundesgebiet eingereist war, verbot ihr Ehemann ihr, mit anderen Leuten zu sprechen. Sie durfte keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Wenn sie z.B. den Müll wegbrachte und dabei Nachbarn traf und diese grüßte, wurde ihr Mann schon eifersüchtig. Fernsehen durfte sie nicht. Darüber hinaus wurde sie von ihrem Ehemann geschlagen. Die erste Ohrfeige erhielt sie, als sie unter Verstoß gegen das Femsehverbot den Fernseher eingeschaltet hatte. Er prügelte sie, selbst als sie schwanger war, hielt sie oft am Hals fest und würgte sie.

Die Situation in der Ehe hat inzwischen zu einer psychischen Erkrankung geführt und wird durch das psychiatrische Gutachten des Oberarztes ... und des Ärztlichen Direktors Dr. ...des ... Krankenhauses ... vom 6. Oktober 2004 belegt.

Der Bezug von Sozialhilfe steht dem Anspruch nicht entgegen. Gem. § 31 Abs. 2 S. 3 AufenthG kann die Behörde im Wege einer Ermessensentscheidung die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung von Missbrauch versagen, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Sozialhilfe angewiesen ist. Nichts deutet darauf hin, dass die Antragstellerin missbräuchlich Sozialhilfe bezieht. Sie hat im Gegenteil ihre weitgehend erfolglosen Bemühungen dargelegt, eine Arbeitsstelle zu finden. Im übrigen regelt § 31 Abs. 4 AufenthG, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfe der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht.