OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.01.2005 - 18 A 1279/02 - asyl.net: M6294
https://www.asyl.net/rsdb/M6294
Leitsatz:

Der Ausweisungsschutz gem. § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AuslG (bzw. § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG) setzt die Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern voraus.

 

Schlagwörter: D (A), Berufungszulassungsantrag, Ernstliche Zweifel, Beurteilungszeitpunkt, Zuwanderungsgesetz, Gesetzesänderung, Ausweisung, Gemeinschaftsrecht, Assoziationsberechtigte, Schutz von Ehe und Familie, Geschwister, Außergewöhnliche Härte
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; VwGO § 124a Abs. 4 S. 4; ARB Nr. 1/80 Art. 7; AuslG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; GG Art. 6
Auszüge:

Der Ausweisungsschutz gem. § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AuslG (bzw. § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG) setzt die Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern voraus.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Zulassungsantrag maßgeblich. Allerdings dürfen dabei nur die rechtzeitig dargelegten Gründe berücksichtigt werden. Ist erst nach Ablauf der hierfür geltenden Frist eine Rechtsänderung eingetreten, kann der Antragsteller nicht mit Blick auf diese nun erstmals neue Zulassungsgründe gelten machen. Die Rechtsänderung muss aus diesem Grund unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 7 A V 2/03 -, NWVBl. 2004, 183 = NVwZ 2004, 744; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124a Rn. 136 f.).

Danach ist es dem Senat verwehrt, die durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 - BGBI I 1950 - zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen hier zu berücksichtigen. Gleiches gilt hinsichtlich der Auswirkungen der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei der Ausweisung eines Unionsbürgers bzw. Assoziationsberechtigten (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 29.02 -, EZAR 037 Nr. 10, und - 1 C 30.02 -, EZAR 034 Nr. 17).

Auch hinsichtlich des materiellen Gemeinschaftsrechts, dem der Assoziationsratsbeschluss 1/80 zuzurechnen ist, bleibt es insoweit beim Vorrang des Prozessrechts (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 31. August 2004 - 1 C25.03-, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

Auf dadurch erfasste Umstände hat sich der Kläger, dem das Verwaltungsgericht eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 zuerkannt hat, nicht berufen. Er stützt sein Zulassungsbegehren allein darauf, dass ihm mit Blick auf seinen eingebürgten Bruder, mit dem er in häuslicher Gemeinschaft lebe, besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG zustehe und spezialpräventive Gründe seine Ausweisung nicht rechtfertigten. Damit werden indessen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet.

Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Verwaltungsgericht seinen erwachsenen Bruder zutreffend nicht als Familienangehörigen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG beurteilt.

Der von dieser Norm geregelte Familienschutz erstreckt sich, wie die Wortgleichheit mit der für den Familiennachzug grundlegenden Norm des § 17 Abs. 1 AuslG verdeutlicht, (vgl. Vormeier in GK-AuslR § 48 Rn. 21) grundsätzlich nur auf Personen, die dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG unterliegen, der insoweit nur die Gemeinschaft von Eltern und Kindern erfasst, nicht aber diejenige mit Geschwistern (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1993 - 1 C 25.93 -, InfAuslR 1994, 2, 7).

Daran hat sich - worauf ergänzend hingewiesen wird - unter der Geltung des durch das Zuwanderungsgesetz in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nichts geändert (vgl. §§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 AufenthG).

Ob hiervon ausgehend unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung bei den von § 22 AuslG - der hier über § 23 Abs. 4 AuslG entsprechend anwendbar wäre - (jetzt §§ 36, 28 Abs. 4 AufenthG) erfassten Umständen eine Ausnahme zu machen ist, kann offen bleiben, weil der Kläger nichts dafür vorgetragen hat, was auf die in dieser Norm vorausgesetzte außergewöhnliche Härte in Bezug auf ein Zusammenleben mit seinem Bruder führen könnte.