VG Mainz

Merkliste
Zitieren als:
VG Mainz, Urteil vom 04.02.2005 - 7 K 539/04.MZ - asyl.net: M6321
https://www.asyl.net/rsdb/M6321
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Armenier, Christen (armenisch-evangelische), Missionierung, Hausdurchsuchung, Haft, Ehefrau, Sippenhaft, Drittstaatenregelung, Einreise, Luftweg, Glaubwürdigkeit
Normen: GG Art 16a; AuslG § 51 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und darauf, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt wird.

Einem Asylanspruch des Klägers steht zunächst nicht bereits die in Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 AsylVfG getroffene Regelung entgegen, wonach derjenige Asylbewerber, der über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Gesetzes in die Bundesrepublik Deutschland einreist, nicht als asylberechtigt anerkannt wird.

Die Behauptung des Klägers, dass er zusammen mit seiner Ehefrau auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt ist, begegnet nämlich keinen durchgreifenden Glaubwürdigkeitsbedenken. Der Kläger hat vielmehr nachvollziehbar und detailreich die Umstände ihrer von Fluchthelfern organisierten und mit Hilfe von gefälschten Papieren über den Flughafen Mehrabad vollzogenen Ausreise und ihre Einreise in das Bundesgebiet über den Flughafen Düsseldorf geschildert. Die Ehefrau des Klägers hat die diesbezüglichen Angaben bestätigt, wonach sie zusammen mit ihrem Ehemann am 26. Januar 2004 mit der Luftgesellschaft Mahan-Air mit der Abflugzeit in Teheran um 05.45 Uhr und der Ankunftszeit in Düsseldorf um 09 Uhr bis 09.30 Uhr ausgereist sind. Diese Angaben stimmen mit dem dem Gericht vorliegenden Flugplan von Mahan-Air überein. Auch im Übrigen weisen die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau zur behaupteten Luftwegseinreise keine zu Zweifeln Anlass gebende Inhalte auf. Es entspricht insbesondere einer gängigen Praxis von Schlepperbanden, sich die bei der Ausreise benutzten Unterlagen wie Tickets und Reisepässe nach der erfolgten Einreise zurückgeben zu lassen.

Der Umstand, dass der Kläger aus diesem Grunde keinen Beweis zur behaupteten Luftwegseinreise zu führen vermag, kann nicht zu seinen Lasten als Beweisvereitelung wie eine bewusste Unterdrückung von Beweismitteln gewürdigt werden, nachdem seine dahingehenden Angaben keinen durchgreifenden Glaubwürdigkeitsbedenken unterliegen.

Auch im Übrigen, soweit es sich um das vom Kläger behauptete Verfolgungsschicksal handelt, sind nach Auffassung der Kammer keine durchgreifenden Bedenken an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Klägers begründet.

Sie decken sich mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen über die Situation der Christen im Iran insbesondere der armenisch-protestantischen Kirche, der der Kläger angehört.

Danach muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger als Angehöriger der armenisch-protestantischen Kirche in den - unberechtigten - Verdacht geraten ist, im Iran missionarische Aktivitäten ausgeübt zu haben, weswegen man seiner habhaft werden wollte, um ihn einer als politische Verfolgung zu qualifizierenden Bestrafung zuzuführen. Rechtzeitig gewarnt, konnte der Kläger fliehen, nachdem man ihn zunächst einer kurzzeitigen, mit Verhören verbundenen Inhaftierung unterzogen hatte. Nach einer Hausdurchsuchung, bei der "christliches Material" gefunden wurde, wurde dann auch seine Ehefrau inhaftiert, vorwiegend, um den Kläger selbst zur Rückkehr zu bewegen. Hierbei wurde seine Ehefrau mehrfach Verhören unterzogen, bei denen man ihr und vor allem ihrem Ehemann, dem Kläger, vorgeworfen hat zu missionieren. Wie es zu diesem Vorwurf kommen konnte, hat der Kläger nachvollziehbar geschildert.

Diese Angaben decken sich mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen über die armenisch-protestantische Kirche bzw. die assembly of god church, wie sie sich insbesondere der Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an OVG Bautzen vom 06. Dezember 2004 entnehmen lassen. Danach geht das im Iran geltende absolute Missionsverbot soweit, dass die christlichen Gemeinden dazu gehalten sind, etwa muslimischen Interessierten den Zutritt zu ihren religiösen Veranstaltungen offensiv zu verweigern und alle Versuche von Muslimen, den dortigen christlichen Gemeinden näher zu treten, zurückzuweisen. Vor diesem Hintergrund sind die "Annäherungsversuche" des Freundes des Klägers an die armenisch-protestantische Kirchengemeinde zu sehen, die offenbar in ähnlicher Weise wie die alteingesessene armenisch-orthodoxe Kirche sich mehr oder minder strikt an das bestehende Missionsverbot gebunden fühlt. Demgegenüber ist es die assembly of god church und andere kleinere zum Teil im Untergrund arbeitende Kirchen, die die Missionierung muslimischer Menschen betreiben, was voraussetzt, dass die Gottesdienste in persisch abgehalten werden. Aus diesem Grund wurde der Freund des Klägers dann auch an die persisch sprechende Gemeinde in Varnak verwiesen. Dass der Kläger selbst Christ war, dürfte hierbei den iranischen Stellen schon aufgrund der armenischen Volkszugehörigkeit des Klägers bekannt gewesen sein. Der Kläger geht insoweit durchaus nachvollziehbar davon aus, dass die an der Universität geführte Akte entsprechende Eintragungen enthalten hat. Von daher aber war es bis zu dem aufgekommenen Verdacht der Missionierung durch den Kläger und einer ersten kurzzeitigen Inhaftierung des Klägers, die mit entsprechenden Verhören verbunden war, nicht mehr weit. Es liegt durchaus nahe, dass Auslöser dieses Geschehens eine Verhaftung des Freundes gewesen ist, der nach dem 12.08.1982 verschwunden war. In Anbetracht des Inhalts der gegen den Kläger und seine Ehefrau gerichteten Verhöre iranischer Sicherheitskräfte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es um den Vorwurf der Missionierung in Bezug auf den Freund des Klägers gegangen ist. Insoweit ist aber nach übereinstimmender Auskunftslage davon auszugehen, dass eine im Iran erfolgte missionarische Betätigung von Christen, seien es konvertierte oder nicht konvertierte Christen, ein beträchtliches Gefährdungspotential zur Folge hat (vgl. Lageberichte des AA, zuletzt vom 22. Dezember 2004, DOI an VG Mainz vom 28. Juni 2001 und vom 06. Dezember 2004 an OVG Bautzen; ai an OVG Hamburg vom 03. Juli 2003.).