OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.03.2005 - 1 L 159/05 - asyl.net: M6327
https://www.asyl.net/rsdb/M6327
Leitsatz:

§ 73 Abs. 2 a AsylVfG ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen der Widerruf der Asylberechtigung bereits vor dem 1.1.2005 ausgesprochen worden ist.

 

Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, Widerruf, Ermessen, Flüchtlingsanerkennung, Zuwanderungsgesetz
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 73 Abs. 2a
Auszüge:

§ 73 Abs. 2 a AsylVfG ist nicht auf Fälle anwendbar, in denen der Widerruf der Asylberechtigung bereits vor dem 1.1.2005 ausgesprochen worden ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, 1950) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 neu eingeführte § 73 Abs. 2 a Satz 1 AsylVfG schreibt vor, dass spätestens nach Ablauf von drei Jahren, seitdem eine Anerkennung als Asylberechtigter oder eine Feststellung der Flüchtlingseigenschaft i. S. des § 60 Abs. 1 AufenthG unanfechtbar geworden ist, von Amts wegen zu prüfen ist, ob Widerrufs- oder Rücknahmegründe i. S. des § 73 Abs. 1 oder Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Ist dies nicht der Fall, steht eine spätere Entscheidung hierüber im Ermessen des Bundesamtes (§ 73 Abs. 2 a Satz 3 AsylVfG).

Diese Neuregelung ist auf die in der Fragestellung aufgezeigten sog. Altfälle nicht anwendbar. Zwar hat das Gericht gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebene Sach- und Rechtslage abzustellen. Für die gerichtliche Prüfung von Widerrufsentscheidungen, die noch nach alter Rechtslage erlassen worden sind, ist dagegen die im Zeitpunkt ihres Erlasses gegebene Rechtslage (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) weiterhin maßgeblich. Auf die sich aus § 73 Abs. 2 a AsylVfG ergebenden Anforderungen an eine Widerrufsentscheidung ist die gerichtliche Prüfung nicht zu erstrecken. Diese Neuregelung findet mangels Anhaltspunkte für eine entgegenstehende Regelungsabsicht des Normgebers auf bereits abgeschlossene Verwaltungsverfahren keine Anwendung mehr (vgl. hierzu VGH Mannheim, U. v. 28.05.1991 - A 16 S 2357/90 - m. w. N., DVBl. 1991, 1093; VG Karlsruhe, U. v. 17.01.2005 - A 2 K 12256/03-). Eine abweichende Auslegung würde auch keinen Sinn machen: Der noch unter der alten Rechtslage gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ergangene (gebundene) Widerruf würde den Anforderungen des § 73 a Abs. 2 a AsylVfG nicht entsprechen und damit von vornherein fehlerbehaftet sein, obwohl während der Durchführung des Widerrufsverfahrens die Bestimmung des § 73 Abs. 2 a AsylVfG nicht existierte und damit weder für die darin vorgesehene Prüfung nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung noch für eine Ermessensentscheidung Raum war.

Nach alledem bleiben die nach altem Recht wirksam vorgenommenen behördlichen Verfahrensabschnitte von der Neuregelung des § 73 a Abs. 2 a AsylVfG unberührt. Dabei ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die unter die Neuregelung des § 73 a Abs. 2 a AsylVfG fallenden Ausländer durch die Ermessensregelung des § 73 Abs. 2 a Satz 3 AsylVfG zu privilegieren, es bei den Altfällen dagegen bei der (gebundenen) Entscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu belassen, in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Vorinstanz auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist dem Normgeber angesichts des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums unbenommen, abgeschlossene Verwaltungsverfahren aus Gründen der Verfahrensökonomie von einer Rechtsänderung unberührt zu lassen.