VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 25.02.2005 - 9 K 1051/03.A - asyl.net: M6361
https://www.asyl.net/rsdb/M6361
Leitsatz:

Zu den Anforderungen an ärztliche Bescheinigungen einer psychischen Erkrankung.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Albaner, Psychische Erkrankung, Fachärztliche Stellungnahmen, Beweismittel, Medizinische Versorgung, Posttraumatische Belastungsstörung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Zu den Anforderungen an ärztliche Bescheinigungen einer psychischen Erkrankung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 liegen nach der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten Rechtsprechung der Kammer, vgl. z.B. die Urteile vom 09. November 2004 ­9 K 3178/03.A ­und vom 04. Januar 2005 ­9 K 3241/04.A ­, für Bewohner des Kosovo grundsätzlich nicht vor.

Auch die geltend gemachten psychischen Erkrankungen der Klägerin führen nicht auf ein krankheitsbedingtes, zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).

Klarstellend ist anzumerken, dass das Gericht der Tatsache, dass der die Klägerin behandelnde Arzt durchgehend das von ihr behauptete Geschehen offenbar ungeprüft seinen Bescheinigungen zu Grunde gelegt hat, keine Bedeutung beimisst. Des Weiteren kommt bei der getroffenen Entscheidung nicht zuletzt dem etwaigen - ­möglicherweise im Gegensatz zur regelmäßig anzunehmenden Objektivität eines Gutachters stehenden - ­Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt keine Bedeutung zu.

Im Übrigen genügen die vorgelegten ärztlichen Atteste ­- auf sie, und nicht auf die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einschätzung, es liege der Beginn einer Persönlichkeitsveränderung (ICD F 62.0) vor, kommt es an - ­nicht den an sie zu stellenden Anforderungen. In Fällen der in Rede stehenden Art ist nach der Rechtsprechung der Kammer von einschlägigen Bescheinigungen zu verlangen, dass sie die angewandte Diagnosemethode angeben. Zudem müssen sie auf der Durchführung diagnostischer Interviews beruhen, eine traumabezogene Anamnese und eine Quantifizierung der Symptome enthalten. Darüber hinaus sind Angaben dazu erforderlich, durch welche Erlebnisse die Erkrankung ausgelöst wurde, wann sie erstmals auftrat und warum gerade zu diesem Zeitpunkt. Darüber hinaus müssen derartige Bescheinigungen eine Prognose des Behandlers beinhalten, wie und wann sich der Zustand des Betroffenen bei einer Rückkehr in sein Heimatland verschlechtern wird. Dazu gehört insbesondere, ob sich bei einem Abbruch der Behandlung binnen kurzer Frist eine erhebliche Leib- oder Lebensgefahr ergeben würde. Dargestellt werden muss ferner ein konkreter Therapieplan, der auch den zeitlichen Rahmen, auf den die Behandlung angelegt ist, angibt (vgl. Urteil der Kammer vom 10. Mai 2004 - ­9 K 2449/01.A ­- mit Hinweis auf Middeke, Posttraumatisierte Flüchtlinge im Asyl und Abschiebungsprozess, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2004, 150, 153 m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2003 - ­8 A 5501/00.A -­, juris).

Diese Anforderungen erfüllen die eingereichten Atteste im Ansatz nicht. Sie weisen vornehmlich Diagnosen auf. Darüber hinaus enthalten sie u.a. eine Beschreibung des Zustands der Klägerin sowie Hinweise auf von ihr Erlebtes.

Ungeachtet dessen besteht nach den aktuellen Erkenntnissen der Kammer bezüglich psychischer Erkrankungen der von der Klägerin geltend gemachten Art (reaktive Depression) kein Anhalt dafür, dass diese mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Kosovo nicht (ambulant und zum Teil sogar kostenfrei) medikamentös behandelt werden können (vgl. Verbindungsbüro, Auskünfte vom 25. und 26. Februar 2004; Verbindungsbüro, Auskünfte vom 5. und 21. April 2004; Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien und Montenegro (Kosovo) vom 4. November 2004 (S. 18)).