VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 27.01.2005 - 1 K 2045/03.A - asyl.net: M6364
https://www.asyl.net/rsdb/M6364
Leitsatz:
Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Albaner, Flüchtlingsfrauen, Traumatisierte Flüchtlinge, Krankheit, Posttraumatische Belastungsstörung, Psychische Erkrankung, Sachverständigengutachten, Glaubwürdigkeit, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Versorgungslage, Medizinische Versorgung, Retraumatisierung, Suizidgefahr
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Den Klägern steht ein Abschiebungsschutz im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (früher: § 53 Abs. 6 AuslG) nicht zu.

Die wirtschaftliche Lage in der Provinz Kosovo kann nicht als derart katastrophal angesehen werden, dass den rückkehrenden Flüchtlingen kaum eine Chance verbleibt, auch nur das Existenzminimum zu erreichen. Angesichts der Anstrengungen der KFOR-Truppen zur Beseitigung von Minen und Blindgängern, der Verstärkung der Polizeipräsenz, des fortschreitenden Aufbaus einer zivilen Übergangsverwaltung einschließlich des Aufbaus eines Polizeiapparates, des Grenzkontrolldienstes und der Justiz und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der langfristigen Bereitstellung umfangreicher Finanzmittel durch die Weltbank und die EU sowie der zahlreichen Aufbau- und Hilfsprogramme verschiedener Hilfsorganisationen und der UN zur Verbesserung der Wohnraum- und Versorgungslage ist das wirtschaftliche Existenzminimum für albanische Volkszugehörige im Kosovo gewährleistet (vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 2. Januar 2002 - 14 A 4727/01.A - und vom 4. September 2001 - 14 A 3517/01.A - sowie AA, Lageberichte vom 10. Februar und 4. November 2004).

Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin zu 2. an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10:F43.1) leidet. Zu dieser Diagnose gelangt jedenfalls das von der Kammer eingeholte Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Q. vom 12. Juli 2004. Allerdings vermag dieses Gutachten nicht vollständig zu überzeugen. Auffällig ist insoweit, dass die Gutachterin ihre Diagnose ausschließlich und anscheinend kritiklos auf die anlässlich der Begutachtung erfolgte Schilderung der Klägerin stützt. Glaubwürdigkeits- oder Plausibilitätsgesichtspunkte betreffend die Angaben der Klägerin zu 2. enthält das Gutachten nicht. Dazu wäre um so mehr Veranlassung gewesen, weil die von der Klägerin zu 2. geschilderte Vergewaltigung zum Zeitpunkt der Begutachtung mehr als zehn Jahre zurücklag und erste psychologische Probleme bei der Klägerin zu 2 offensichtlich erst im Jahre 2000 aufgetreten sind.

Letztlich mag dies jedoch auf sich beruhen, da die Kammer der Auffassung ist, dass eine posttraumatische Belastungsstörung im Kosovo behandelbar ist, sodass der Klägerin zu 2. und ihrer Familie eine Ausreise in ihr Heimatland zuzumuten ist (vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04.A -).

In diesem Urteil hat das OVG NRW unter umfassender Würdigung der auch der Kammer vorliegenden Erkenntnisse über die Behandlungsmöglichkeiten einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgeführt, dass der Standard der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung im Kosovo nicht dem Niveau der Bundesrepublik entspricht, andererseits aber auch nicht derart unzureichend ist, dass eine Rückkehr albanischer Volkszugehöriger unzumutbar wäre.

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an. Dies gilt insbesondere auch für die rechtliche Einordnung einer Retraumatisierung oder einer - so auch hier - immer wieder behaupteten Suizidgefährdung der Rückkehrer in den Kosovo. Anhaltspunkte, die ausnahmsweise wegen besonderer Umstände zu einer anderen Einschätzung und damit zu einem Abschiebungsschutz führen könnten, sind nicht erkennbar.