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OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.01.2005 - 7 A 11481/04.OVG - asyl.net: M6384
https://www.asyl.net/rsdb/M6384
Leitsatz:

Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben, einschließlich der Kontakte mit Behörden, in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag, mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache geführt werden und er einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann.

 

Schlagwörter: D (A), Libanesen, Einbürgerung, Analphabeten, Sprachkenntnisse, Sprachkenntnisse, Zuwanderungsgesetz, Integrationskurs, Verhältnismäßigkeit
Normen: StAG § 11 S. 1 Nr. 1; AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 7; AuslG § 86 Nr. 1
Auszüge:

Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben, einschließlich der Kontakte mit Behörden, in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag, mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache geführt werden und er einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Dem Einbürgerungsbegehren steht § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG i.d.F. vom 5. August 2004 ( BGBl a.a.O., 1997) entgegen. Danach besteht - wie bislang nach § 86 Nr. 1 AuslG - kein Anspruch auf Einbürgerung, wenn der Ausländer nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache liegen vor, wenn sich der Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben, einschließlich der Kontakte mit Behörden, in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtzufinden vermag, mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache geführt werden kann und er in der Lage ist, einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens zu lesen, zu verstehen und die wesentliche Inhalte mündlich wiederzugeben.

Über solche ausreichenden Sprachkenntnisse verfügt der Kläger nicht.

§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist dahin auszulegen, dass das Erfordernis, einen alltäglichen deutschsprachigen Text lesen, verstehen und seinen Inhalt mündlich weitergeben zu können, in der Regel unverzichtbar ist, und die bloße Fähigkeit sich mündlich verständigen zu können, nicht ausreicht, um das Vorliegen der vom Gesetz geforderten ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse zu bejahen. Die Regelung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist im Gesamtkontext der umfassenden Novellierung des Zuwanderungsrechts durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (BGBI 2004, 1950 ff.) zu sehen. Das in wesentlichen Teilen zum

1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz verwendet den Begriff "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" nicht nur bei den Regelungen des Staatsangehörigkeitsrechts, sondern beispielsweise auch in dem in Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes enthaltenen Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -), hier vor allem bei den Bestimmungen über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG). Eine solche darf nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG nur erteilt werden, wenn der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dieser Nachweis wird gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG durch eine erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs geführt. Nach Satz 3 der erwähnten Norm kann von diesen Voraussetzungen abgesehen werden, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder einer Behinderung nicht erfüllen kann oder nach Satz 4 zur Vermeidung einer Härte. Ferner wird von dem Erfordernis der erfolgreichen Absolvierung eines Integrationskurses unter den in Satz 5 der Vorschrift genannten Voraussetzungen abgesehen mit der Folge, dass es in diesem Fall ausreicht, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann. Aus dieser Regelung ist im Umkehrschluss zu folgern, dass der Gesetzgeber für die Annahme ausreichender deutscher Sprachkenntnisse deshalb im Regelfall Lesefähigkeiten im oben beschriebenen Sinne verlangt. Andernfalls wäre die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 Satz 5 entbehrlich.

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber innerhalb des Zuwanderungsgesetzes den Begriff der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse unterschiedlich verstanden wissen will, gibt es nicht.

Bei der Neuregelung des Zuwanderungsrechts hat der Gesetzgeber - wie bereits bei § 9 AufenthG angesprochen - der Integration des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse besonderes Gewicht zugemessen. Mehr noch als bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Aufenthaltsgesetz kommt es bei einer Einbürgerung auf die Intergrationsleistung des Bewerbers an. Mit der Einbürgerung wird der Ausländer zum Staatsbürger und erhält Teilhaberrechte- und pflichten am demokratischen Willensbildungsprozeß. Diese auszufüllen verlangt nicht nur die Fähigkeit zu verbaler Kommunikation, sonder in einer von Massenmedien wie Zeitung, Internet, Fernsehen geprägten Demokratie weitergehend die Fähigkeit, zumindest einfache Texte der Schriftsprache erfassen und verstehen zu können.

§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StAG will das Vorliegen dieser Voraussetzungen sicherstellen. Deshalb ist es auch ohne weiteres nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber hier auf privilegierende Regelungen, die ein Absehen von ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen ermöglichen, wie zum Beispiel in § 9 Abs. 2 Satz 2 ff. AufenthG, § 104 Abs. 2 AufenthG, verzichtet hat und einen Einbürgerungsanspruch nur dann zuerkannt wissen will, wenn korrespondierend eine bestimmte Integrationsleistung hinsichtlich der deutschen Sprachkenntnisse erbracht worden ist. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG kann daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Einzelfall eine Modifizierung erfahren.

Bei dem Kläger kann auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vom Lesen können eines deutschsprachigen Textes des alltäglichen Lebens abgesehen und statt dessen seine Fähigkeit, sich mündlich zu verständigen als ausreichend erachtet werden. Der Kläger leidet nicht an körperlichen oder geistigen Gebrechen, die ihn am ausreichenden Erlernen der deutschen Sprache hindern bzw. in der Vergangenheit gehindert haben. Der Kläger lebt seit 1985 im Bundesgebiet und hatte in den vergangenen zwei Jahrzehnten hinreichend Zeit, sich auf die deutsche Sprache einzustellen, sie insbesondere auch schriftlich zu erlernen. Hierzu ist auch nicht notwendige Voraussetzung, dass er zunächst in seiner arabischen Muttersprache lesen und schreiben lernen muss. Arabisch ist der deutschen Sprache so wesensverschieden, dass ihr Erlernen nicht zwangsläufig dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse vorausgehen muss. Statt dessen hätte der Kläger bereits vor Jahren seinen Analphabetismus durch die Inanspruchnahme besonderer Schulungskurse beheben können. Er kann dies ungeachtet seines Geburtsdatums auch heute noch und er kann die Teilnahme an diesen Kursen so einrichten, dass er daneben sein Geschäft weiterführen kann.