VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Urteil vom 25.01.2005 - 1 A 307/03 - asyl.net: M6410
https://www.asyl.net/rsdb/M6410
Leitsatz:

§ 60 Abs. 1 AufenthG für früheren Maoisten und Gegner der afghanischen Mudschaheddin-Kommandanten Abdul Rasul Sayyaf und Alagedar.

 

Schlagwörter: Afghanistan, Tadschiken, Maoisten, Kommunisten, Shuleh-e Jawid, Gebietsgewalt, Nichtstaatliche Verfolgung, Interne Fluchtalternative
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1 S. 4 Bst. c
Auszüge:

§ 60 Abs. 1 AufenthG für früheren Maoisten und Gegner der afghanischen Mudschaheddin-Kommandanten Abdul Rasul Sayyaf und Alagedar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Kläger haben einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Die aktuelle Gefährdungslage beruht auf den politischen Aktivitäten des Klägers zu in der Vergangenheit und den gegenwärtigen Verhältnissen in Afghanistan und insbesondere in Kabul.

Zusammengefasst lässt sich aufgrund des Vorbringens der Kläger sowie den schriftlichen Zeugenaussagen und insbesondere dem auf die Kläger bezogen Gutachten des Dr. Danesch vom 29. Dezember 2004 nach der Überzeugung des Einzelrichters Folgendes feststellen:

Der Kläger zu 1. war in seiner Schul- und Studentenzeit an exponierter Stelle politisch aktiv in einer maoistischen Gruppe mit dem NamenShuleh-e Jawid tätig. Diese Tätigkeiten machten ihn als "kommunistischen Aktivisten" weithin bekannt, u.a. auch bei den späteren Mujaheddin-Kommandanten. Danach hatte er sich hatte er sich einer Mujaheddin-Gruppe angeschlossen, die in erbitterter Feindschaft zu der Gruppierung Wa Habib des Abdul Rasul Sayyaf stand. Dieser ist nach dem Gutachten des Dr. Danesch ein extremer Fundamentalist, der auch heute noch großen Einfluss in Kabul ausübt und als "graue Eminenz" hinter der Regierung Karzai agiert. Mit diesem verbündet war früher auch ein Kommandant namens Alagedar, der nach den Aussagen des Gutachters Dr. Danesch heute ebenfalls in Kabul und Paghman über gute Beziehungen bis in höchste Ebenen von Verwaltung, Polizei und Justiz verfügt. Dr. Danesch kommt daher zum Schluss, dass das Leben des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf das Höchste gefährdet ist. Dieses Gutachten ist überzeugend und deckt sich sowohl mit den sonstigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln als auch mit den von den Klägern vorgelegten schriftlichen Erklärungen.

Insgesamt ist das Vorbringen der Kläger daher als glaubwürdig zu bezeichnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan als erfüllt anzusehen sind.

Eine inländische Fluchtalternative haben die Kläger bei dieser Sachlage ebenso wenig wie die erfolgversprechende Möglichkeit einer Schutzgewährung durch "staatliche" Stellen oder in Afghanistan operierende internationale Organisationen. Auf die vom Gericht bisher verneinte (vgl. etwa Urt. v. 6.5.2004 - 1 A 283/03 -) Frage, ob und inwieweit in Afghanistan inzwischen ein Staat oder staatsähnliche Organisationen, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen (staatliche Herrschaftsmacht), vorhanden sind oder nicht, kommt es im Rahmen der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG nicht an.