OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.02.2005 - 9 LA 31/05 - asyl.net: M6446
https://www.asyl.net/rsdb/M6446
Leitsatz:

Jedenfalls derzeit bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine zielgerichtete Verfolgung früherer Organe bzw. Handlanger des Baath-Regimes durch die am 28. Juni 2004 an die Macht gekommene Ubergangsregierung im Irak (hier für Mitglieder der Fedayin-Saddam-Eingreiftruppe).

 

Schlagwörter: Irak, Baath, Sympathisanten, Feddayin-Saddam-Eingreiftruppe, Machtwechsel, Übergangsregierung, Verfolgung durch Dritte, Mittelbare Verfolgung, Racheakte, Berufungszulassungsantrag, Rechtliches Gehör, Überraschungsentscheidung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 138
Auszüge:

Jedenfalls derzeit bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine zielgerichtete Verfolgung früherer Organe bzw. Handlanger des Baath-Regimes durch die am 28. Juni 2004 an die Macht gekommene Ubergangsregierung im Irak (hier für Mitglieder der Fedayin-Saddam-Eingreiftruppe).

(Amtlicher Leitsatz)

 

Der Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Rechtssache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu. Der Kläger sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig die Tatsachenfrage an, "ob den ehemaligen Mitgliedern der Fedayin-Saddam, die jahrelang in den Dienst dieser Truppe standen und jahrelang Dienst in der Öffentlichkeit in der Form der Fedayin-Saddam und als Fedayin-Saddam- Kämpfer viele Menschen unterdrücken mussten, nun nach Sturz des Regimes des Saddam Hussein Gefahren durch die ehemals Benachteiligten, Gefangenen, Verratenen, Verletzten und Gefolterten droht". Dieser Frage fehlt die für eine Zulassung erforderliche Klärungsbedürftigkeit.

Der aufgeworfenen Fragestellung ist der Senat bereits in seinem Beschluss vom 10.8.2004 - 9 LA 222/04 - unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts vom 2. Februar 2004 an das VG Münster - nachgegangen. Der Senat hat dabei die Auffassung des Verwaltungsgerichts bestätigt, dass nach den vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil aufgezeigten politischen Veränderungen nach der im Mai 2003 abgeschlossenen Militäraktion und den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine zielgerichtete Verfolgung früherer Organe bzw. Handlanger des Baath-Regimes durch die seit dem 28. Juni 2004 an die Macht gekommene irakische Übergangsregierung bestehen. Diese Aussage gilt auch für Mitglieder der Eingreiftruppe Fedayin-Saddam.

Das Deutsche Orient-Institut hat sich in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2004 wie folgt geäußert:

"Zwar sind die Fedayin-Saddam nicht zu diesem Dienst gepresst worden. Doch weiß andererseits auch wiederum jeder, dass häufig materielle Gründe und materielle Notwendigkeiten die Leute zu . diesem Dienst bestimmt haben. Das politische Geschäft Iraks ist voll von Richtungswechseln und Kursänderungen, und jeder hat, wenn er nicht eigenes, persönliches Blut an den Händen hat, normalerweise die Möglichkeit, seine frühere Rolle im Rahmen der Regimeorganisationen abzustreifen. Es lässt sich nicht darstellen, dass es zu einer zielgerichteten Verfolgung von ehemaligen Parteigängern des Regimes gekommen ist, die eigentlich erwartungsgemäßen "Nächte der langen Messer" haben, soweit wir unterrichtet sind, nicht stattgefunden. ... Jedem im Irak ist klar, dass die Baath-Partei und die Mitgliedschaft in derselben ein notwendiges Muss war für jeden, der irgendeine höhere Position erreichen wollte. Allein diese Mitgliedschaft ist daher, ebenso wenig wie allein die Mitgliedschaft in irgendeiner der Regimeorganisationen, kein Grund für die Befürchtung einer nachwirkenden Verfolgung. ... Man muss klar sehen, dass diese Organisationen ohnedies im Wesentlichen Propagandamittel und Propagandamaterial für das gestürzte irakische Regime waren, das hat sich besonders bei dem kurzfristigen Kampfgeschehen im Frühjahr letzten Jahres gezeigt, als diese Verbände alles in allem fluchtartig ihre Posten verließen und zusahen, dass sie das Weite nicht nur suchten, sondern auch fanden, organisierte Gegenwehr in einer militärisch- verbandsmäßigen Art und Weise hat es überhaupt nicht gegeben, auch nicht von diesen Leuten, die angeblich ihr Leben für Saddam zu opfern bereit waren."

In seiner weiteren Stellungnahme vom 18. Oktober 2004 an das VG Karlsruhe ist das Deutsche Orient-Institut zu einer ähnlichen Einschätzung gekommen:

"Es trifft nicht zu, dass es im Irak zu einer allgemeinen Hatz auf ehemalige Funktionsträger des irakischen Regimes gekommen ist. Ganz im Gegenteil versucht die irakische Regierung, und auch die Amerikaner versuchen es, sich die Sachkunde von Funktionären des ehemaligen irakischenRegimes zunutze zu machen. Eine allerdings privat motivierte Rache ist allenfalls vorstellbar bei "Blutschergen" des Regimes, die persönliches Blut an den Händen haben und bei denen sich die Familien für die Opfer rächen wollen".

Bereits unter dem 27. Oktober 2003 hat das Deutsche Orient-Institut in seiner Äußerung an das VG Regensburg eine entsprechende Bewertung abgegeben:

"Regelrechte Racheakte an Angehörigen der Baath-Partei sind uns bislang nicht bekannt geworden, man muss dazu wissen, dass in Irak die Mitgliedschaft in der Baath-Partei für sehr zahlreiche Menschen durchaus verbindlich war, ohne diese Mitgliedschaft war ab einer bestimmten Stufe des Emporkommens nicht weiterzukommen und bestimmte Positionen sind von vornherein nur für solche Baath-Partei-Mitglieder möglich gewesen. Das gilt vor allen Dingen für den Bereich der Hochschulen, der Wissenschaft, der Militärindustrie, der Schulen (außer Grundschule) und auch der Armee, so dass die Zugehörigkeit zur Baath-Partei nach Maßgabe der konkreten Verhältnisse Iraks für sich genommen kein Anknüpfungspunkt für Racheakte ist. Auch klar und allgemein bekannt ist, dass es ohne diese Möglichkeit nicht ging, diese wird also nicht der zentrale Anknüpfungspunkt für irgendwelche Vorwürfe sein. Hier kommt es schon sehr auf das persönliche Schicksal und die persönliche Verantwortung für andere Menschen an, wie gesagt, Angehörige der Repressionsapparate, die persönlich für Folter, Mord, Verschwindenlassen und dergleichen einzustehen haben, halten sich im Moment äußerst bedeckt, aber selbst insoweit sind hier keine Racheakte bekannt geworden."

Nach dieser Erkenntnislage spricht nichts für eine den Kläger konkret drohende Verfolgungsgefahr wegen seiner Zugehörigkeit zu der Eingreiftruppe der Fedayin-Saddam.