VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2005 - A 6 K 11380/02 - asyl.net: M6472
https://www.asyl.net/rsdb/M6472
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung wegen Übertritts zum Christentum, der wegen Denunziation durch Verwandte den iranischen Behörden bekannt würde.

 

Schlagwörter: Iran, Konversion, Apostasie, Christen, Religiös motivierte Verfolgung, Interne Fluchtalternative
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung wegen Übertritts zum Christentum, der wegen Denunziation durch Verwandte den iranischen Behörden bekannt würde.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2003 sowie dem Gutachten des Deutschen Orientinstituts vom 22.11.2004 ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran Gefahr läuft, wegen seines Übertritts zum Christentum von seinem Vater und seinem Schwager nachhaltig bei den Sicherheitsdienststellen denunziert zu werden und diese dann mit asylrelevanten Zwangsmaßnahmen gegen den Kläger vorgehen.

Das Gericht hält es daher für hinreichend wahrscheinlich, dass der Vater und der Schwager bei einer Rückkehr des Klägers in den Iran nicht nur jeglichen Kontakt mit ihm ablehnen würden, sondern im Gegenteil solange bei den staatlichen Sicherheitskräften gegen ihn arbeiten würden, bis diese gegen den Kläger einschreiten. Das Gericht geht zwar grundsätzlich davon aus, dass der Übertritt eines Moslems zum Christentum nicht zu asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der iranischen Sicherheitsdienste führt, solange der Übertritt nicht öffentlich dargelegt wird und der Konvertierte nicht missionierend in Erscheinung tritt. Beim Kläger ist der Übertritt zum Christentum schon dadurch aus der reinen Privatsphäre herausgetreten, dass der Schwager ihn bei dem Sicherheitsdienst angezeigt hat. Vor allem aber muss der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Iran mit weiteren Anzeigen und sonstigen Maßnahmen seitens seines Vaters und seines Schwagers rechnen, die schließlich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dazu führen werden, dass die Sicherheitsdienste gegen den Kläger vorgehen, wobei nach der im Iran üblichen Verfahrensweise mit schweren körperlichen Misshandlungen und unter Umständen längeren Verhaftungen gerechnet werden muss; dies wird durch das Gutachten des Deutschen Orientinstituts vom 22.11.2004 belegt.

Nach dem Gutachten des Deutschen Orientinstituts ist ferner davon auszugehen, dass der Kläger keine realistische Möglichkeit hat, sich einer Verfolgung seiner fanatisierten Verwandten dadurch zu entziehen, dass er sich bei einer Rückkehr in den Iran nicht in der Nähe seiner Familie, sondern an einem so weit entfernten Ort niederlässt, dass sein Vater und sein Schwager nichts davon erfahren. Dies setzt nämlich voraus, dass der Kläger über eine qualifizierte Ausbildung verfügt und daher auch ohne den Familienverbund existieren kann. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat zwar das Abitur abgelegt, aber anschließend keine qualifizierte Ausbildung durchlaufen. Er war vielmehr nur als Lkw-Fahrer tätig. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger über sonstige Geldquellen oder Bekanntschaften verfügen könnte, die ihm eine nicht nur vorübergehende Existenz in hinreichendem Abstand zu seinem Vater und seinem Schwager ermöglichen.