Warlords üben in Afghanistan quasistaatliche Macht aus; kein Widerruf bei ehemaligen Kommunisten; strenger Maßstab für Widerruf der Flüchtlingsanerkennung; kein Familienasyl, wenn die materiellen Voraussetzungen für Widerruf der Anerkennung des Stammberechtigten vorliegen
Warlords üben in Afghanistan quasistaatliche Macht aus; kein Widerruf bei ehemaligen Kommunisten; strenger Maßstab für Widerruf der Flüchtlingsanerkennung; kein Familienasyl, wenn die materiellen Voraussetzungen für Widerruf der Anerkennung des Stammberechtigten vorliegen
(Leitsatz der Redaktion)
Die Frage des Vorliegens von Widerrufsgründen ist nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG uneingeschränkt schon im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung von Familienasyl zu prüfen und nicht einem gesondert gegen den Stammberechtigten gerichteten Widerrufsverfahren vorzubehalten.
Nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 2. April 1993 - 10 UE 1413/91 - (juris = NVwZ-RR 1994 S. 234 [LS]) diese uneingeschränkte Prüfungsbefugnis schon ohne weiteres für sich in Anspruch genommen hatte, schließt sich auch der Senat angesichts des klaren Gesetzeswortlauts der wohl inzwischen überwiegenden Auffassung an, wonach Familienasyl schon dann nicht gewährt werden kann, wenn die Anerkennung des Stammberechtigten zu widerrufen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Widerrufsverfahren bereits eingeleitet, der Widerruf erfolgt oder gar bestandskräftig geworden ist (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 23. November 2000 - 12 A 11485/00 - NVwZ-RR 2001 S. 341 f. = juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 1. März 2001 - 8 L 1117/99 - juris; OVG NW, Beschluss vom 2. Juli 2001 - 14 A 2621/01.A - juris; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2001 - 9 B 00.31496 - InfAuslR 2002 S. 261 ff. = juris; Schnäbele, in Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz 1992 [GK], Stand: Dezember 2004, Rdnrn. 52 ff. zu § 26).
Die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG liegen im Fall des Beigeladenen zu 2. nicht vor.
Für das Vorliegen einer nachträglichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, die das Bundesamt zum Widerruf einer bestands- oder rechtskräftigen Asylanerkennung berechtigt und verpflichtet, ist ein strenger Maßstab anzulegen und eine Beweislast des Bundesamtes anzunehmen (vgl. Pfaff, ZAR 2003 S. 225 [228]). Eine solche Veränderung muss nicht nur auf Grund eindeutiger Anhaltspunkte unzweifelhaft eingetreten sein, sie kann jedenfalls für einen vor erlittener oder drohender politischer Verfolgung geflohenen und deshalb als asylberechtigt anerkannten Ausländer auch nur dann im obigen Sinne als erheblich angesehen werden, wenn sich die politisch-gesellschaftliche Lage in seinem Heimatland so wesentlich, grundlegend und dauerhaft verbessert hat, dass bei seiner Rückkehr eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist. Diese Anforderung folgt aus der humanitären Zielsetzung des Asylgrundrechts, das zwar keinen unveränderbaren Status verleiht und in seinem Bestand von der Fortdauer der Verfolgungsgefahr abhängt, andererseits aber einem Asylsuchenden, der schon einmal von politischer Verfolgung betroffen war, nicht zumutet, erneut der Zugriffsmöglichkeit des Verfolgerstaates und dem Risiko erneuter Verfolgung ausgesetzt zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181 und 182/80 - BVerfGE 54 S. 341 ff. = NJW 1980 S. 2641 ff. = juris; BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 9 C 3/92 - EZAR 214 Nr. 3 = juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. März 2004 - A 6 S 219/04 - AuAS 2004 S. 142 ff. = NVwZ-RR 2004 S. 790 ff. juris).
Dies entspricht auch dem in der "Beendigungsklausel" des Art. 1 C Nr. 5 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953 S. 559, Bekanntmachung vom 28. April 1954, BGBl. II S. 619) - GK - zum Ausdruck gekommene Zumutbarkeitsgedanken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 a.a.O.). Nach Satz 1 dieser durch § 73 Abs. 1 AsylVfG nachgezeichneten "Beendigungsklausel" führt ein Wegfall der die Flüchtlingseigenschaft begründenden Umstände nur dann zur Beendigung des Flüchtlingsstatus, wenn der Flüchtling es danach nicht mehr ablehnen kann, den Schutz seines Heimatlandes in Anspruch zu nehmen, wenn sich also die Verhältnisse dort so grundlegend und hinreichend stabil verändert haben, dass eine Verfolgungsgefahr nicht mehr besteht. Auf der Grundlage der ober- und höchstrichterlichen Interpretation stimmt der Regelungsgehalt des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG mit dem Inhalt dieser Bestimmung der Genfer Flüchtlingskonvention überein (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16. März 2004 a.a.O.; kritisch: Salomons/Hruschka, ZAR 2005 S. 1 ff. [6]). Dies gilt nach Auffassung des Senats jedenfalls insoweit, als es um die hinreichende Sicherheit vor einer für die Asylanerkennung allein maßgeblich gewesenen politischen Verfolgung und nicht um sonstige, insbesondere allgemeine Gefahren etwa auf Grund einer unzureichenden Sicherheits- oder/und Versorgungslage geht, vor denen nach deutschem Recht nicht asyl-, sondern ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlich Schutz gewährt wird.
Nach Erlass des zur Asylanerkennung des Beigeladenen zu 2. verpflichtenden Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 1996 haben sich die nach dieser Rechtsfindung für seine Verfolgungsgefährdung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse in Afghanistan nach der Entmachtung der zwischenzeitlich in weiteren Teilen des Landes an die Macht gelangten Taliban und der Einsetzung der Übergangsregierung unter Präsident Karsai seit Ende 2001 nicht so grundlegend, stabil und dauerhaft verändert, dass eine Wiederholung entsprechender asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen gegen den Beigeladenen bei Anlegung des danach gebotenen strengen Maßstabs mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnte; das gilt sowohl für das eine politische Verfolgung überhaupt erst ermöglichende Bestehen staatlicher bzw. quasi-staatlicher Herrschaftsstrukturen als auch für eine Verfolgungsgefährdung ehemaliger DVPA-Mitglieder und unter dem kommunistischen Regime Nadschibullahs tätiger Mitarbeiter des Geheimdienstes Khad.
Unter Zugrundelegung der vom 13. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Grundsatzurteil vom 8. Juli 1996 entwickelten und im obigen Sinne höchstrichterlich bestätigten und präzisierten Maßstäbe gelangt der erkennende Senat nach den derzeit verfügbaren Erkenntnismitteln zu der Überzeugung, dass die nach der Ausreise des Beigeladenen im Dezember 1991 bis zum Erlass des Asylanerkennungsurteils vom 30. Mai 1996 in Afghanistan entstandenen Machtverhältnisse nach der Entmachtung der Taliban Ende 2001 in weiten Bereichen so wiederhergestellt worden sind wie sie vor und bei deren Eintritt in den Bürgerkrieg bestanden und heute mehr noch als damals - weil jedenfalls eine offene Bürgerkriegssituation nicht mehr besteht - trotz eines fehlenden landesweiten Gewaltmonopols der Übergangsregierung Karsai und trotz der nach wie vor weitgehend unzureichenden Sicherheits- und Versorgungslage die Annahme verfolgungsmächtiger zentralstaatlicher bzw. regionaler quasi-staatlicher Herrschaftsstrukturen rechtfertigen.
Diese Übergangsregierung bzw. ihr Präsident verfügt auch über Herrschaftsstrukturen, die zumindest im Großraum Kabul wirksam sind. Ihr staatliches Gewaltmonopol lässt sich allerdings nicht mit den Befugnissen und Verwaltungs-, Polizei-, Gerichts- und Militärstrukturen begründen, die sich aus der am 26. Januar 2004 in Kraft getretenen Verfassung für Präsident und Regierung ergeben (so aber Auskunft des Auswärtigen Amtes [AA] an das Sächs. OVG vom 17. Februar 2004), weil es nicht auf das Bestehen einer abstrakten Rechtsordnung, sondern darauf ankommt, ob im Sinne einer De-facto-Gebietsgewalt tatsächlich eine übergreifende Herrschaft ausgeübt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O.). Dies wird für den Großraum Kabul mit der Begründung bejaht, dass die Macht des Präsidenten hier neben den bisher ausgebildeten ca. 2.000 Polizisten und ca. 7.000 bis 8.300 Soldaten vor allem von der UN-mandatierten und seit August 2003 von der NATO geführten International Security Assistance Force (ISAF) mit einer Stärke von etwa 6.000 bis 7.400 Mann gestützt wird (vgl. u.a. Gutachten Dr. Mostafa Danesch, ein aus dem Iran stammender Autor und Journalist, an Sächs. OVG vom 24. Juli 2004), so dass die Sicherheitslage im Raum Kabul zwar weiter fragil bleibt, aber im regionalen Vergleich zufriedenstellend ist und vom UNHCR für freiwillige Rückkehrer als "ausreichend sicher" bezeichnet wird (vgl. AA, Lagebericht vom 3. November 2004, Stand: Oktober 2004, S. 11). In der Hauptstadt ist danach mit Anwesenheit der ISAF eine Regierung entstanden, die in der Lage ist, dort eine übergreifende Ordnung durchzusetzen, so dass extreme Formen von gewaltsamen Auseinandersetzungen unterbunden werden und der Einzelne im Großen und Ganzen nicht um seine Existenz zu bangen braucht (Dr. Danesch an VG Bayreuth vom 31. Oktober 2002 S. 7). Dass die Regierungsgewalt Präsident Karsais hauptsächlich auf dem Schutz dieser internationalen Truppen beruht, steht der Annahme staatlicher Machtstrukturen nicht entgegen (so aber zunächst Deutsches Orient-Institut an Sächs. OVG vom 23. September 2004 S.1, vgl. aber auch S. 4 f.). Es kommt nämlich weder auf die Legitimität der Machtausübung noch darauf an, in welchen organisatorischen und rechtlichen Formen, Einrichtungen oder Institutionen die faktische Herrschaftsmacht ausgeübt wird, maßgeblich ist allein, ob das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft mit einer gewissen Stetigkeit und Dauerhaftigkeit durch Befehl und Zwang geordnet wird. Das ist aber auch in Bezug auf die Übergangsregierung Karsai zu bejahen, weil die ISAF gerade zu deren Unterstützung entsandt worden ist und derzeit keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass sie in absehbarer Zeit aus Afghanistan abgezogen werden könnte; im Gegenteil wird ihr Einsatzbereich auf ausgewählte Orte in den Provinzen ausgedehnt. Dass sowohl die eigenen Sicherheits- als auch die Verwaltungs- und Justizstrukturen der Regierung noch im Aufbau begriffen sind und noch kein in unserem Sinne funktionsfähiges System darstellen und deshalb auch in Kabul mit Terroranschlägen, Überfällen von und gegen Polizei- und Sicherheitskräfte(n), Korruption und sonstigen Menschenrechtsverletzungen gerechnet werden muss (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S. 11), begründet zwar Zweifel an der Fähigkeit der Regierung, umfassend und in jedem Einzelfall hinreichenden Schutz zu gewährleisten, stellt aber die Existenz eines prinzipiell schutz- und verfolgungsmächtigen Herrschaftsgefüges als solches, das zu einer von den staatstragenden Kräften ausgehenden oder zugelassenen und gezielt an asylerhebliche Merkmale anknüpfenden Verfolgung in der Lage wäre, nicht grundsätzlich in Frage. Kabul befindet sich nicht (mehr) in einem offenen Bürgerkrieg mit einem Zustand von Anarchie und Chaos, in dem jeder unterschiedslos und jederzeit der Willkür des anderen ausgeliefert wäre; auch ein Staat mit hoher Gewaltkriminalität und akuter Terrorgefahr verliert allein dadurch nicht generell seine staatliche zu asylerheblicher Verfolgung fähige Herrschaftsgewalt.
Die Gebietsgewalt der Regierung Karsai ist nach dem derzeit verfügbaren Erkenntnisstand aber auf den Großraum Kabul beschränkt und erstreckt sich nicht auf das übrige Staatsgebiet Afghanistans.
In den verschiedenen Landesteilen haben sich nach der Entmachtung der Taliban vielmehr wieder ähnliche quasi-staatliche und gegenüber der Zentralregierung autonome Herrschaftsbereiche herausgebildet, wie sie bereits vor deren Eingreifen in den Bürgerkrieg bestanden hatten und oben beschrieben worden sind (vgl. etwa Dr. Danesch an VG Wiesbaden vom 29. Januar 2003 S. 6 ff. und vom 21. Mai 2003 an VG Braunschweig; Deutsches Orient-Institut an Sächs. OVG vom 23. September 2004 S. 1 f., 8, 10.f.)
Dieser Umstand eines fehlenden gesamtstaatlichen Gewaltmonopols schließt die Möglichkeit einer asylerheblichen politischen Verfolgung in Afghanistan nicht aus (so aber u.a. VG Ansbach, Urteile vom 24. April 2002 - AN 11 K 01.31749 -, vom 3. April 2003 - AN 11 K 03.30178 - und vom 15. September 2004 - AN 11 K 04.31184 -; Sch.-Holst. OVG, Urteil vom 16. Juni 2004 - 2 LB 54/03 -; wie hier: VG Hamburg, Urteil vom 10. Juli 2003 - 10 A 1945/2001 - jeweils Asylis-Rspr.), weil diese - wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof schon in seinem zitierten Grundsatzurteil vom 8. Juli 1996 ausgeführt hat - zum einen in den verschiedenen regionalen Bereichen erfolgen kann und weil sich zum anderen durch die die Mentalität und Denkweise der afghanischen Gesellschaft bestimmenden traditionellen Stammesstrukturen bisher nie ein Nationalgefühl, sondern vielmehr immer schon eine Ablehnung gegenüber staatlicher Gewalt entwickelt hat und es deshalb und wegen der geografischen, ethnischen und religiösen Zergliederung der Eigenart dieses Landes entspricht, dass einer schwachen Zentralgewalt stets mächtige lokale Herrscher gegenüberstehen, die in ihrem Machtbereich selbst verantwortlich "hoheitliche Befugnisse" wahrnehmen, also etwa eine eigene Armee, eigene Gerichte und Gefängnisse unterhalten (vgl. dazu und auch zum Folgenden Dr. Danesch an Sächs. OVG vom 24. Juli 2004).
Solche Herrschaftsbereiche haben sich wieder wie folgt herausgebildet:
Früher von der Übergangsregierung Rabbani/Massud beherrschte und tadschikisch besiedelte Provinzen im Nordosten und Norden stehen heute unter dem Kommando des offiziell von der Regierung als Armeekommandanten eingesetzten Mohammad Daud Khan, eines früheren Leibwächters und persönlichen Referenten Massuds.
Die sich weiter westlich anschließenden Nordprovinzen, die General Dostum bis zur endgültigen Eroberung Mazar-e-Sharifs durch die Taliban am 10. August 1998 und seiner anschließenden Flucht in die Türkei beherrscht hatte, gehören jetzt in ihrem östlichen Teil zum Machtbereich des ebenfalls offiziell von Karsai als Kommandanten eingesetzten, aber mit Mohammad Daud Khan verbündeten Tadschiken Ustad Atta, der ebenfalls über eine russisch ausgerüstete Streitkraft von mehreren tausend Kämpfern verfügt.
Die übrigen, weitgehend von Usbeken und Turkmenen bewohnten Nordprovinzen beherrscht von seinem Hauptquartier in Sheberghan/Provinz Jowzjan aus wieder General Dostum, der zum stellvertretenden Verteidigungsminister ernannt worden war, ebenfalls mehrere tausend Kämpfer kommandiert, über Kontakte zur Türkei, zu den USA und nach Usbekistan verfügt und mit seinem alten Rivalen Atta häufig bewaffnete Auseinandersetzungen, insbesondere um Mazar-e-Sharif hatte, die im Oktober 2003 zu einem weitgehend beachteten Waffenstillstand führten.
In diesen nördlichen, von Atta und Dostum beherrschten Provinzen kommt es vielfach zu Übergriffen in Form von Brandstiftungen, Plünderungen, Erpressungen, Zwangsrekrutierungen, Misshandlungen oder Vergewaltigungen, Tötungen etc. gegen die hier eine Minderheit bildenden Paschtunen, die zu einer inzwischen rückläufigen Binnenflucht in den paschtunischen Süden geführt hatten (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S.13 f. und 16 f.).
Über die westlichen Provinzen herrscht in der Provinzhauptstadt Herat wieder der fundamentalistische Tadschike Ismail Khan, der sich selbst als Emir oder Kalif versteht, in seinem Gebiet die alleinige politische und militärische Herrschaft beansprucht, über eine auch mit schweren russischen Waffen ausgerüstete, aber nicht einmal formal der Regierung unterstellte große Privatarmee von fast 20.000 Soldaten verfügt, mit seinem repressiven Regime für relative Sicherheit und einen wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt hat, ein gutes Verhältnis zum bisherigen Verteidigungsminister Fahim unterhält, einen Sohn als Luftfahrtminister in der Regierung untergebracht hatte und gute bzw. beste Kontakte sowohl zu den USA als auch zu dem westlich angrenzenden Iran pflegt, von dem er finanziell, personell und durch konkrete Aufbauprojekte unterstützt wird. Nachdem im März 2004 sein Sohn bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Regierungskräften getötet worden war, ist Ismail Khan nach den sich anschließenden Unruhen von Präsident Karsai zwar im September 2004 als Provinzgouverneur abgesetzt worden, ob das aber wirklich zu einer Schwächung oder gar zum Verlust seiner Herrschaft geführt hat, erscheint angesichts der eigentlichen Machtstrukturen sehr zweifelhaft (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S. 13 und Deutsches Orient-Institut an Sächs. OVG vom 23. September 2004 S. 3 f.).
In dem angestammten Siedlungsgebiet der schiitischen Hazara in Zentralafghanistan dominiert die Hezb-e-Wahdat mit ihrem in der Übergangsregierung vertretenen Führer Abdul Karim Khaliii, die aus religiösen Gründen und wegen der Unterstützung im Bürgerkrieg ebenfalls gute Beziehungen zum schiitischen Iran hat, in ihrem südlichen Herrschaftsbereich aber auch in Flügelkämpfe verwickelt ist (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S. 13 und Deutsches Orient-Institut an Sächs. OVG vom 23. Septermber 2004 S. 3 f.).
In dem angestammten Siedlungsgebiet der schiitischen Hazara in Zentralafghanistan dominiert die Zezb-e-Wahdat mit ihrem in der Übergangsregierung vertretenen Führer Abdul Karmim Khalili, die aus religiösen Gründen und wegen der Unterstützung im Bürgerkrieg ebenfalls gute Beziehungen zum schiitischen Iran hat, in ihrem südlichen Herrschaftsbereich aber auch in Flügelkämpfe verwickelt ist (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S. 13).
In der östlichen, paschtunisch besiedelten Provinz Nangarhar mit der Hauptstadt Jalalabad regieren zwar nach wie vor die ehemaligen Mudschaheddin-Kommandanten, die schon vor der Machtübernahme der Taliban dort herrschten (Gouverneur ist ein Bruder des 2002 in Kabul ermordeten Hadschi Abdul Kadir), die Verhältnisse sind dort aber durch die nach wie vor stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzungen der amerikanisch dominierten Anti-Terror-Koalition mit den radikal-islamischen Kräften der Taliban und Al-Qaida bestimmt, bei denen seitens der USA auch Kämpfer paschtunischer Lokalherrscher eingesetzt werden.
Auch in den anderen östlichen, südöstlichen und südlichen Provinzen mit dem im gebirgigen Grenzland zu Pakistan liegenden sog. Paschtunengürtel sind die Machtverhältnisse ebenfalls undurchsichtig und instabil, so dass in diesem Bereich quasi-staatliche Strukturen nicht anzunehmen sind.
Neben den für diese paschtunisch geprägten Gebiete typischen Stammesfehden und den verstärkten Aktivitäten der mit den Taliban kooperierenden Hezb-e-Islami des radikalen paschtunischen Milizenführers Hekmatyar kommt es hier zu einer Destabilisierung durch die Reinfiltration von Taliban und AI-Qaida, die zwar von den etwa 18.000 Mann starken US- bzw. Anti-Terror-Streitkräften bekämpft werden (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S. 12), aber auf Grund des zur Stammesloyalität verpflichtenden Ehrenkodex "Paschtunwali" großen Rückhalt bei den paschtunischen Stammesführern finden. So ist schon davon die Rede, dass die Taliban im Osten und Süden Afghanistans wieder etwa 35 % des Landes kontrollieren, und zwar mit stillschweigender Billigung Karsais (vgl. Dr. Danesch an Sächs. OVG vom 24. Juli 2004 S. 10; Baraki, "Aus Politik und Zeitgeschichte", Beilage zu "Das Parlament" vom 22. November 2004 S. 24 ff.). Angesichts des teilweise trotzdem bestehenden Einflusses regierungstreuer Kräfte und sonstiger Lokalherrscher und der Bekämpfung durch die Anti-Terror-Streitkräfte kann aber nicht von stabilen und gesicherten regionalen Herrschaftsstrukturen der Taliban/Al-Quida ausgegangen werden.
In den dargestellten, in weiten Bereichen in ihren früheren, vor der Eroberung durch die Taliban bestehenden Strukturen wiederhergestellten regionalen Herrschaftsgebieten kommt es nicht nur zu gezielt an asylerhebliche Merkmale anknüpfenden Übergriffen, wie etwa in Herat gegen Frauen und (vermeintliche) Oppositionelle und in den Nordprovinzen gegen die dortige Minderheit der Paschtunen, sondern diese regionalen Machtstrukturen sind auch autonom gegenüber der zentralen Übergangsregierung Karsais.
Zwar wird teilweise ein "eigenartiger Doppelcharakter der staatlichen Strukturen in Afghanistan" angenommen, weil zwar einerseits die Lokalherrscher und Kriegsfürsten überall im Lande ihre autonomen, quasi-staatlichen Herrschaftsstrukturen etabliert hätten, andererseits aber die Regierung Karsai den Großteil dieser Lokalherrscher legitimiert und in den Staat integriert habe (vgl. Dr. Danesch an Sächs. OVG vom 24. Juli 2004 S. 18), maßgeblich ist aber nicht auf die formale Legitimierung der Machtausübung, sondern nur auf die faktische, allerdings hinreichend stabilisierte Durchsetzbarkeit einer übergreifenden Herrschaftsgewalt abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O.).
Das aber ist für die Regierung unter Präsident Karsai landesweit (noch) nicht der Fall, so dass zwar die Frage nach der Existenz staatlicher und quasi-staatlicher Strukturen auf dem gesamten Territorium Afghanistans - nach Auffassung des Senats mit Ausnahme der etwa 35 % im Osten und Süden - zu bejahen ist (so Dr. Danesch a.a.O. S. 18), aber nicht im Sinne eines gesamtstaatlichen Gewaltmonopols der Zentralregierung, sondern (wieder) im Sinne des Bestehens mehrerer regionaler Machtbereiche. Die Zentralregierung verfügt nämlich nicht über die notwendigen Machtmittel, um auf die lokalen Machthaber und Kommandeure in den Provinzen praktisch Einfluss auszuüben (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2004 S. 18 und 22).
Der Beigeladene zu 2. wäre im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan vor einer von diesen derzeit bestehenden Machtstrukturen ausgehenden oder von ihnen nicht verhinderten Verfolgung nicht hinreichend sicher, die an seine früher als Mitglied der Jugendorganisation der DVPA gegen die Mudschaheddin geleisteten Spitzeldienste für den kommunistischen Geheimdienst und möglicherweise auch an seine Teilnahme an gegen sie gerichteten Kampfhandlungen als Angehöriger der regulären Streitkräfte gezielt anknüpfen würde.
Eine grundsätzlich nach wie vor bestehende Verfolgungsgefährdung wegen einer früheren Mitgliedschaft in der kommunistischen DVPA oder/und im Geheimdienst, Militär oder in sonstigen Regierungsstellen des kommunistischen Regimes hat der Senat im Urteil vom 11. November 2004 (a.a.O.) bereits mit u.a. folgenden Erwägungen bejaht: ...