Widerruf der Feststellung von § 60 Abs. 7 AufenthG (bzw. § 53 Abs. 6 AuslG) bezüglich des Kosovo wegen psychischer Erkrankung setzt detaillierte Auseinandersetzung mit der insoweit widersprüchlichen Auskunftslage zur medizinischen Versorgung im Kosovo voraus.
Widerruf der Feststellung von § 60 Abs. 7 AufenthG (bzw. § 53 Abs. 6 AuslG) bezüglich des Kosovo wegen psychischer Erkrankung setzt detaillierte Auseinandersetzung mit der insoweit widersprüchlichen Auskunftslage zur medizinischen Versorgung im Kosovo voraus.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 ist, ohne dass eine Entscheidung in der Sache zu erfolgen hätte, aufzuheben, weil das Gericht eine weitere Sachaufklärung seitens der Beklagten für erforderlich hält, die noch erforderlichen Ermittlungen nach Art und Umfang erheblich sind und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist, (vgl. § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG ist unter anderem die Feststellung, dass. ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950), der gemäß Art. 15 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950) zum 1. Januar 2005 - ohne inhaltliche Änderung - an die Stelle des zeitgleich aufgehobenen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG a.F. getreten ist, zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen.
Darlegung und Subsumtion der konkret angenommenen Widerrufsvoraussetzungen, für deren Vorliegen die Beklagte die (materielle) Beweislast trägt, leiden jedoch an erheblichen Defiziten. Es ist letztlich bereits unklar geblieben, worin die Beklagte die entscheidungserhebliche Veränderung der Sachlage erblickt hat: in einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin oder in einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Serbien und Montenegro (bzw. im Kosovo) oder in beidem. Darüber hinaus wird aber auch keine dieser möglichen Alternativen von den Feststellungen im angefochtenen Bescheid getragen.
So lässt sich anhand der bislang durchgeführten Ermittlungen und bei Zugrundelegung der gegenwärtig verfügbaren Auskunftslage über die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten im Kosovo nicht hinreichend beurteilen, ob gegenwärtig im Fall der Klägerin die Voraussetzungen der Feststellung eines Abschiebehindernisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG nicht mehr erfüllt sind.
Des Weiteren hat die Beklagte in ihrem angefochtenen Widerrufsbescheid vom 20. Juli 2004 aber auch für eine zwischenzeitlich eingetretene Verbesserung der psychiatrischen/psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung im Kosovo hinreichende und aktuelle Anhaltspunkte nicht angeführt. Sie hat dort lediglich unter Bezugnahme auf eine einzige - zudem das übrige Serbien (ohne Kosovo) betreffende - Quelle (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. Februar 2004) ausgeführt, die (frühere) Erkrankung der Klägerin sei inzwischen in ihrem Herkunftsland und insbesondere im Kosovo therapierbar. Psychische Krankheiten würden in Serbien und Montenegro aufgrund des dort vorherrschenden medizinischen Ansatzes vorwiegend medikamentös behandelt. Es stünden auch andere Therapieformen zur Verfügung, wenn auch in begrenztem Umfang. Selbst wenn man diese im Bescheid der Beklagten angenommene Prämisse teilte, drängt sich aber hier bereits die Frage auf, mit welcher Begründung die Beklagte ohne Weiteres zur Annahme gelangt zu sein scheint, dass die Klägerin - trotz des nur beschränkt verfügbaren Umfangs anderer Therapieformen - jedenfalls rechtzeitig Zugang zur gegebenenfalls erforderlichen Therapie, erhalten könnte.
Zudem fehlt aber auch jede Auseinandersetzung mit der durchaus nicht einheitlichen Auskunftslage. So erscheint nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 10. Februar 2004 die Behandlung schwerwiegender psychischer Erkrankungen im Kosovo nach wie vor nicht ausreichend gewährleistet (vgl. bereits Bundesamt, - Online-Loseblattwerk - 9. Gesundheitswesen, März 2003, S. 28 f.). Dies gilt auch und insbesondere für posttraumatische Belastungsstörungen (vgl. Auswärtiges Amt; Lagebericht Kosovo vom 10. Februar 2004, S. 14). Auch nach dem neuesten Bericht des Bundesamts zum Gesundheitswesen in Serbien und Montenegro (Online-Loseblattwerk, Stand: Juni 2004) stellt sich die Auskunftslage sehr uneinheitlich, aber überwiegend eher zweifelnd dar. Allein das deutsche Verbindungsbüro Kosovo sieht derzeit Verbesserungen bei der Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen. Diese optimistische Einschätzung wird jedoch von den übrigen Auskunftsstellen bis hin zum Auswärtigen Amt in seinem jüngsten Lagebericht nicht geteilt. (vgl. die Aufstellung im genannten Bericht des Bundesamts zum Gesundheitswesen in Serbien und Montenegro, Online-Loseblattwerk -, Stand: Juni 2004, S. 27 f.). Mit dieser uneinheitlichen Auskunftslage hätte sich die Beklagte bei ihrer Widerrufsentscheidung konkret und hinreichend substantiiert auseinandersetzen müssen.
Zum anderen erschöpft sich der Vortrag der Beklagten. im Wesentlichen in der Wiedergabe des Wortlauts der in Bezug genommenen Auskünfte, ohne aber den konkreten, vorliegenden Fall der Klägerin darunter zu subsumieren. Wenn es etwa im Vortrag der Beklagten heißt, zwei Fachärzte in Pristina behandelten Patienten mit PTBS und eine Behandlungsstunde koste zwischen 35,-- und 55,-- Euro, so bleibt die Frage offen, ob die genannten Ärzte überhaupt freie Kapazitäten haben, wie lange die. Klägerin auf eine erste Behandlung warten müsste und ob schließlich ihre Vermögenslage nach erfolgter Abschiebung es zulässt, die Kosten der Behandlung - neben ihrem Lebensunterhalt - selbst zu tragen bzw. ob sich dies anderweitig sicherstellen lässt. Wenn es weiter im Vortrag der Beklagten heißt, auf eine erste Behandlungsstunde bei der Organisation KRCT müsse der Patient 4-6 Wochen warten, fehlt jede Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Klägerin unter Berücksichtigung der von ihr zwischenzeitlich vorgelegten ärztlichen Unterlagen. eine derartige Wartezeit von immerhin (mindestens) 1-1 1/2 Monaten überhaupt schadlos zu überstehen in der Lage ist.