VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.04.2005 - 14 A 402/01 - asyl.net: M6583
https://www.asyl.net/rsdb/M6583
Leitsatz:
Schlagwörter: Armenien, Staatsangehörigkeit, Aserbaidschaner, Nichtstaatliche Verfolgung, Schutzbereitschaft, Gewöhnlicher Aufenthalt, Staatenlose, Russland, Hepatitis B, Krankheit, Medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kläger die armenische Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht.

Unterstellt, die Kläger besitzen die armenische Staatsangehörigkeit, so haben sie für Armenien keine politische Verfolgung geltend gemacht. Nach den Angaben der Klägerin zu 1) haben sie im Frühjahr 1998 in Eriwan Probleme bekommen, nachdem ihre aserische Volkszugehörigkeit bekannt geworden sei. Ihr Mann sei zusammengeschlagen worden und es habe einen Überfall auf ihr Haus gegeben. Einen Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei diesen Aktionen um solche staatlicher Akteure oder um von staatlichen Stellen geduldete Aktionen gehandelt habe, hat die Klägerin zu 1) nicht geliefert. Von daher ist davon auszugehen, dass die Aktionen von nicht staatlichen Akteuren, von Privatpersonen ausgegangen sind. Diese sind - wie oben dargestellt - zwar auch geeignet, eine Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu begründen. Dafür wäre allerdings Voraussetzung, das der Armenische Staat nicht willens oder in der Lage wäre, Schutz vor derartiger Verfolgung zu bieten. Dafür sind hier im konkreten Fall keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Klägerin zu 1) hat nicht einmal ansatzweise vorgetragen, dass sie sich um staatliche Hilfe bemüht hätten. Das aber wäre ihr auf jeden Fall zuzumuten gewesen.

Wenn man unterstellt, dass die Kläger die armenische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, gilt folgendes:

Ist davon auszugehen, dass die Kläger die armenische Staatsangehörigkeit nicht besitzen und Armenien auch nicht (mehr) als Land des gewöhnlichen Aufenthalts anzusehen ist, entfällt eine Prüfung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf Armenien.

Soweit der Ausländer keine Staatsangehörigkeit besitzt, kommt es auf die Verhältnisse im Land des letzten gewöhnlichen Aufenthalts an (vgl. § 3 AsylVfG).

Russland kann auch nicht als Land des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 3 AsylVfG angesehen werden. Zwar büßt ein Staat seine Eigenschaft als Land des gewöhnlichen Aufenthalts nicht allein dadurch ein, dass der Staatenlose ihn verlässt und in der Bundesrepublik Deutschland Asyl beantragt. Eine Änderung tritt jedoch dann ein, wenn er den Staatenlosen - aus im asylrechtlichen Sinne nicht politischen Gründen - ausweist oder ihm die Wiedereinreise verweigert, nachdem er das Land verlassen hat. Er löst damit seine Beziehung zu dem Staatenlosen und hört auf, für ihn Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu sein. Er steht dann dem Staatenlosen in gleicher Weise gegenüber wie jeder andere auswärtige Staat. Die Frage, ob dem Staatenlosen auf seinem Territorium politische Verfolgung droht, wird unter asylrechtlichen Gesichtspunkten gegenstandslos (BVerwG, Urteil vom 15.10.1985 - 9 C 30/85 -, NVwZ 1986, 759 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da russische Behörden nach den vorliegenden Erkenntnissen in der Regel keine Passersatzpapiere für staatenlose ehemalige Sowjetbürger zur Einreise nach Russland ausstellen, wobei ethnische oder andere asylerhebliche Merkmale keine Rolle spielen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Schleswig v. 14.10.1999, Nr. 158 Erkenntnisliste Russland).

Ebenso sind keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG erkennbar.

Im Übrigen ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden und in die mündliche Verhandlung eingeführten Unterlagen, dass Hepatitis B in Armenien behandelbar ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.12.2004, Dok.-Nr. 243 Armenien, wonach die medizinische Versorgung in Armenien flächendeckend gewährleistet ist; Bericht der Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 03.08.2003, Dok.-Nr. 227 a Armenien, die Versorgung mit den wichtigsten Medikamenten ist in Armenien danach gesichert. Es seien allerdings sehr häufig Fälschungen auf dem Markt, auch sei die Bezahlung bei chronisch Kranken so gut wie unmöglich; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Eriwan vom 31.10.2001 an VG Stuttgart, Dok.-Nr. 203 Armenien: Danach sind sowohl Hepatitis-B als auch C in Armenien behandelbar. Die Behandlung der Erkrankungen fällt sogar unter das Gesetz über die kostenlose medizinische Versorgung im staatlichen Auftrag). Es mag zwar angesichts der sonstigen Auskünfte über die wirtschaftliche Lage und die medizinische Versorgung in Armenien zweifelhaft sein, ob ein an Hepatitis-B Erkrankter die Behandlung, insbesondere die Medikamente tatsächlich kostenlos erhält. Dies kann allerdings auch nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindemisses gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen. Insoweit gehört die Klägerin, falls sie eine Behandlung nicht bezahlen kann, zu einer Bevölkerungsgruppe, die dieser Gefahr allgemein ausgesetzt ist. In diesem Fall kommt aber keine Berücksichtigung durch das Gericht in Betracht, sondern es ist die der Klägerin drohende Gefahr durch eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.