OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 09.05.2005 - 3 Q 15/04 - asyl.net: M6585
https://www.asyl.net/rsdb/M6585
Leitsatz:

Keine Gruppenverfolgung von ethnischen oder religiösen Minderheiten in Syrien (Fortschreibung der Rspr. des Senats).

 

Schlagwörter: Syrien, Kurden, Assyrer, Christen, Minderheiten, Gruppenverfolgung, Jesiden, religiös motivierte Verfolgung, Juden
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Keine Gruppenverfolgung von ethnischen oder religiösen Minderheiten in Syrien (Fortschreibung der Rspr. des Senats).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die aufgeworfene Grundsatzfrage gibt Anlass zu einer Aktualisierung der Senatsrechtsprechung, wonach das syrische Regime, das selbst der Minderheitsreligion der Alaviten angehört, auch nach Einschätzung der kritischen Organisation amnesty international, generell den im Land lebenden Minderheiten eine gewisse kulturelle Autonomie unter Ausschluss politischer Forderungen erlaubt (Beschluss des Senats vom 16.7.2003 - 3 Q 78/02 -, S. 5 des amtlichen Umdrucks; amnesty international, Gutachten vom 19.8.2002 - MDE 24 - 00. 128 -, S. 2-4, sowie amnesty international, Jahresbericht 2003, Stichwort Syrien, S. 547-552).

Nach der bisherigen Senatsrechtsprechung werden insbesondere die mindestens eine Million Menschen umfassende Volksgruppe der Kurdinnen und Kurden ungeachtet immer wieder vorkommender staatlicher Übergriffe nicht als Gruppe verfolgt (Urteil des Senats vom 8.12.1998 - 3 R 73/98 -, S. 8 des amtlichen Umdrucks; Beschluss des Senats vom 23.10.2000 - 3 Q 71/99 -; Beschluss des Senats vom 16.7.2003 - 3 Q 78/02 -, S. 2/3 des amtlichen Umdrucks).

Ebenso unterliegt die religiöse Minderheit der Christen von insgesamt über einer Million Menschen in Syrien nach der bisherigen Senatsrechtsprechung keiner Verfolgung, sondern wird vom Regime aus opportunistischen Gründen ebenso wie andere religiöse Minderheiten geduldet (Beschluss des Senats vom 27.9.2000 - 3 Q 243/00 -; Beschluss des Senats vom 11.8.2004 - 3 Q 34/03 -, Seite 3 des amtlichen Umdrucks).

Weiterhin wird auch die Ausübung der yezidischen Religion nach der Senatsrechtsprechung geduldet (Beschluss des Senats vom 11.3.2002 - 3 Q 47/01 -).

Schließlich kann auch die kleine jüdische Gemeinde in Syrien ihre Religion praktizieren (Beschluss des Senats vom 11.8.2004 - 3 Q 34/03 -, Seite 4 des amtlichen Umdrucks; ebenso die kritisch eingestellte Schweizerische Flüchtlingshilfe, Gutachten von Mai 2004, Seite 9).

Nach der Überprüfung des aktuellen Erkenntnismaterials besteht kein Anhaltspunkt für eine grundlegende Änderung der syrischen Minderheitenpolitik. Dies gilt sowohl für die von den Märzunruhen 2004 betroffenen Kurden (unten 1.) als auch für andere Minderheitsgruppen wie die Christen (unten II.).

Von einer rechtsstaatlichen Vorgehensweise gegen die an den Unruhen beteiligten Kurden ist die syrische Praxis entfernt, aber von einer Gruppenverfolgung allein wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit ebenfalls. Die Kurden unterliegen nach wie vor einer engen Überwachung und Kontrolle einschließlich einer Einzelverfolgung politischer Aktivitäten, werden aber als Volksgruppe nach dem erkennbaren Mäßigungsinteresse des syrischen Regimes nach wie vor geduldet. Da es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine erforderliche Verfolgungsdichte fehlt, ist ein grundlegender Wandel bereits nach den im Zulassungsverfahren vorliegenden Erkenntnissen auszuschließen und besteht kein Grund für die Eröffnung eines Berufungsverfahrens. Nach dem Ergebnis der Aktualisierung der Senatsrechtsprechung ist die Minderheitenpolitik des syrischen Regimes bei aller politischer Überwachung und der Verfolgung von Einzelaktivitäten auf eine Mäßigung im Sinne der Duldung der kurdischen Volksgruppe ausgerichtet. Ein grundlegender Wandel besteht nicht.

Auch nach dem neuesten Stand respektiert das syrische Regime die christliche Bevölkerungsminderheit und vermeidet jede Diskriminierung von Christen in Polizei und Justiz (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 13.12.2004, Seite 14).

Übergriffe gegenüber Christen werden im Zusammenhang mit dem zu den Märzunruhen 2004 ausgewerteten Erkenntnismaterial nicht berichtet. Für einen grundlegenden Wandel der syrischen Minderheitenpolitik gegenüber Christen im Sinne einer Gruppenverfolgung mit entsprechender Verfolgungsdichte fehlt es gänzlich an Anhaltspunkten. Die Aktualisierung der Senatsrechtsprechung führt dazu, dass nach wie vor keine Gruppenverfolgung von Christen in Syrien besteht und dies bereits nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens ersichtlich ist.