Für die Zeit eines Übernahmeverfahrens nach der Dublin II-Verordnung kann grundsätzlich Abschiebungshaft verhängt werden; während des Übernahmeverfahrens nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat hat der Asylsuchende keine Aufenthaltsgestattung.
Für die Zeit eines Übernahmeverfahrens nach der Dublin II-Verordnung kann grundsätzlich Abschiebungshaft verhängt werden; während des Übernahmeverfahrens nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat hat der Asylsuchende keine Aufenthaltsgestattung.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Antrag auf Überprüfung der Haftanordnung ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht begründet.
Die ursprüngliche Haftanordnung erfolgte gem. §§ 61 Abs.3, 57 Abs.2 Nr.1 und 5 zurecht, da der Betroffene aufgrund illegaler Einreise vollziehbar ausreisepflichtig war und überdies aufgrund der illegalen Einreise aus einem sicheren Mitgliedsland der Europäischen Union unter Hilfestellung von sog. "Scheusern" auch der begründete Verdacht bestand, dass er sich ohne die Haftanordnung seiner Ab- (bzw. Rück-) Schiebung entzogen hätte.
Da der Betroffene entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung später eine freiwillige Ausreise abgelehnt hat und nunmehr das Zuständigkeitsverfahren zur Durchführung des Asylverfahrens gem. VO (EG) 343/2003 durchgeführt werden mußte, erfolgte auch die Anordnung der Fortdauer der Sicherungshaft zu Recht.
Der Betroffene hat entgegen der Ansicht seines Verfahrensbevollmächtigten vor Anordnung der Sicherungshaft keine Aufenthaltsgestattung erworben, die der Haftanordnung entgegen stand. Es ist auch höchst zweifelhaft, ob er eine solche Aufenthaltsgestattung vor seiner Haftentlassung überhaupt erworben hat.
Nach § 55 Abs.1 S.3 AsylVfG erwirbt ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat ins Bundesgebiet einreist, nicht bereits durch Nachsuchen um Asyl, sondern erst mit Stellung eines (förmlichen) Asylantrages eine Aufenthaltsgestattung i.S.v. § 55 Abs.1 S.1 AsylVfG.
Bereits der Umstand, dass der Betroffene durch die zuständigen Grenzbehörden entsprechend den Bestimmungen des § 18 Abs.3, Abs.2 Nr. 1 AsylVfG trotz eines Nachsuchens um Asyl sofort hätte zurückschieben können, stellt die Erlangung. einer Aufenthaltsgestattung im Sinne von § 55 Abs.l S.1 AsylVfG in Frage.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes erstreckt sich die Aufenthaltsgestattung jedoch nur vorläufig auf den Zeitraum, der erforderlich ist, um seinen (materiellen) Anspruch auf die Gewährung von Schutz, vor politischer Verfolgung durch eine Aufenthaltserlaubnis bzw. -gestattung im Bundesgebiet (rechtskräftig) zu prüfen.
Dies folgt auch zweifelsfrei aus den Bestimmungen der §§ 67 Abs.l AsylVfG, 25 Abs.l S.1 bzw. S.3 AufenthG.
Da der Betroffene nicht nur aus einem sicheren Drittland i.S.v. § 26a Abs.2 1. Alt. AsylVfG ins Bundesgebiet eingereist ist, sondern sich unmittelbar vor seiner Einreise in zumindest zwei anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgehalten hat und aus einem Drittstaat zunächst in ein Mitgliedsland der Europäischen Union (Slowakische Republik) eingereist ist, ist den zuständigen deutschen Behörden zunächst die materielle Prüfung des Asylantrages entsprechend innerstaatlichem (d.h. deutschem) Asylrecht verwehrt, da in diesem Falle zunächst das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates (welchem dann erst die materielle Prüfung des Asylantrages selbst nach seinem innerstaatlichen Recht obliegt) entsprechend der Verordnung (EG) Nr. 343/2003, (Dublin II) durchzuführen (so ausdrücklich Art. 2 Buchst. e) Dublin II), da zwar jedes Mitgliedsland verpflichtet ist, einen Asylantrag an seiner Grenze oder in seinem Hoheitsgebiet entgegen zu nehmen, jedoch nur ein einziges Mitgliedsland der Europäischen Union zur materiellen Prüfung des Asylanspruchs berufen ist (Art.3 Abs.1 Dublin II).
Da die Anwendung innerstaatlichen Asylrechts in dieser Phase des (Vor-) Verfahrens noch verwehrt ist, und eine materielle Prüfung des Anspruches des Betroffenen auf Schutz vor politischer Verfolgung (in der Bundesrepublik) noch nicht erfolgen kann, erwirbt der Betroffene während der Dauer des Zuständigkeitsprüfungsverfahrens auch noch keine Aufenthaltsgestattung i.S.v. § 55 Abs.l S.1 AsylVfG, da diese Aufenthaltsgestattung gerade auf den Zeitraum beschränkt ist, der für die materiellen Prüfung des Asylanspruches in der Bundesrepublik Deutschland nach innerstaatlichem Recht beschränkt ist.
Da der Betroffene einen Regelanspruch auf eine Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs.l S.1 AsylVfG, die eigentlich ein Hafthindernis (Wegfall der sofortigen Ausreisepflicht) darstellen würde, im besonderen Fall der Ersteinreise in das:. Staatsgebiet der Mitgliedsländer der Europäischen Union außerhalb Deutschland, in dieser Phase des Vorverfahrens (noch) nicht erworben hat, bedarf es (wohl entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts ...) auch keiner Auseinandersetzung mit der Ausnahmeregel (von § 55 Abs. l S.1 AsylVfG), ob gem. § 14 Abs.4 S. l AsylVfG (jetzt § 14 Abs.3 S. l AsylVfG) trotz Wegfall der sofortigen Ausreisepflicht aufgrund vorläufiger Aufenthaltsgestattung die Anordnung oder Fortdauer von Abschiebehaft zulässig ist. Bei Unanwendbarkeit dieser Ausnahmeregel entfällt auch die hiermit in Zusammenhang stehende besondere Privilegierung des § 14 Abs. 4 S.3 AsylVfG a.F. (jetzt § 14 Abs.3 S.3 AsylVfG), dass eine Haftanordnung oder -fortdauer trotz Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs.l S.1 AsylVfG nur bis zur materiellen Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, längstens jedoch 4 Wochen nach Zugang des Asylantrages beim Bundesamt aufrecht erhalten werden darf.
Eine unmittelbare Anwendung des § 14 Abs.4 S.3 AsylVfG a.F. (jetzt § 14 Abs.3 S.3 AsylVfG) auf das Zuständigkeitsprüfungsverfahren nach Dublin II entfällt somit.
Aber auch bei einer analogen Anwendung der Privilegierung von innerstaatlichen Asylbewerbern (für die Dauer der materiellen Prüfung ihres Asylantrages nach nationalem (deutschem) Recht) auf das Zuständigkeitsprüfungsverfahren nach der Dublin II-VO sind zumindest die dort festgesetzten Fristen im zwischenstaatlichen Verkehr und die erforderliche Zeitdauer zu Vorbereitung und Durchführung der Rückführung des Antragstellers in das im Rahmen des Verfahrens als zuständig festgestelltes Mitgliedsland der Europäischen Union bei der Fristbemessung zu berücksichtigen. Eine bloße Übernahme der 4-Wochenfrist erscheint im Hinblick auf das deutlich schwierigere Verfahren und der Beteiligungsnotwendigkeit mehrerer verschiedenstaatlicher Behörden erscheint unangemessen.
Im Hinblick auf den Umstand, dass bei der Notwendigkeit der Zuständigkeit-Vorprüfung nach Dublin II gerade erhebliche Beweise und Indizien vorliegen müssen - die durch den Haftrichter auch geprüft werden können dass der Betroffene trotz der Erlangung eines garantierten Asylanspruches durch Ersteinreise in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union unter Mißachtung der Ein- und Ausreisevorschriften und meist unter Hilfestellung von kriminellen Schleuserbanden illegal die Grenzen einzelner Mitgliedsländer überschreitet, wäre eine Frist von mindestens 2 Monaten als durchaus angemessen anzusehen.
Im Hinblick auf den Umstand, dass die Dublin-II-VO selbst kein Aufenthaltsrecht des Asylbewerbers im derzeitigen Aufenthaltsland innerhalb der Europäischen Union vermittelt und die besonderen ausländer- bzw. aufenthaltsrechtlichen Bestimmung des innerstaatlichen Asylverfahrensrechts (noch) keine Anwendung finden, erscheint jedoch eine Analogie nicht gerechtfertigt, da in den allgemeinen Regeln hinsichtlich des Aufenthaltsrecht eines Betroffenen und die zulässigen freiheitsbeschränkenden staatlichen Maßnahmen gegen ihn in den allgemeinen Regeln des AuslG (§§ 57, 61) bzw. jetzt des AufentG (§§ 62, 15 Abs.4) hinreichend enthalten sind.