Paranoide Schizophrenie im Kosovo nicht behandelbar, jedenfalls keine Unterbringung in geschlossener psychiatrischer Abteilung möglich.
Paranoide Schizophrenie im Kosovo nicht behandelbar, jedenfalls keine Unterbringung in geschlossener psychiatrischer Abteilung möglich.
(Leitsatz der Redaktion)
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG [der weitestgehend § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG entspricht] soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Feststellung, dass hinsichtlich Serbien und Montenegro ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG besteht. Denn es ist bei einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass sich bei einer Rückkehr des Klägers in den Kosovo relativ zeitnah eine wesentliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes einstellen wird. Dabei steht für das Gericht ... fest, dass der Kläger zwar nicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD 10. F 43.1), aber an einer paranoiden Schizophrenie (ICD 10 F 20.0) leidet.
Hinsichtlich der geltend gemachten posttraumatischen Belastungsstörung hat der Sachverständige für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass und warum der Kläger nicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Dabei hat u.a. darauf abgestellt, dass das traumatisierende Ereignis diffus geblieben ist und der Kläger seine daraus resultierenden psychischen Beschwerden offenbar erst mehr als 6 Monate nach dem behaupteten traumatisierenden Ereignis geschildert und sich in ärztliche Behandlung begeben hat. Dass er diesen Aspekt herangezogen hat, ist auf Grund der Definition der ICD 10 F. 43.1 ("Die Störung folgt dem Trauma mit einer Latenz, die Wochen bis Monate dauern kann [doch selten mehr als 6 Monate nach dem Trauma]. Diese Störung soll nur dann diagnostiziert werden, wenn sie innerhalb von 6 Monaten nach einem traumatisierenden Ereignis von außergewöhnlicher Schwere aufgetreten ist"), die als anerkanntes Regelwerk zugrunde zulegen ist, durchaus nachvollziehbar. Unabhängig davon, dass eine PTBS nicht festgestellt werden kann, müsste mittlerweile auch davon ausgegangen werden, dass nach der Auskunftslage eine (medikamentöse) Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung im Kosovo möglich ist (vgl. die Auskünfte des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo Pristina vom 7. Oktober 2004 [ASYLIS-Nr.: SER26557001], vom 17. Juni 2004 [ASYLIS-Nr.: SER00056891], vom 28. Mai 2004 [ASYLIS-Nr:: SER00056538] und vom 5. April 2004 [ASYLIS-Nr.: SER00055771]); (vgl. zur Behandlungsmöglichkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung im Kosovo (bejahend) auch OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2004 - 13 A 1140/04.A, vom 30. Dezember 2004 -13 A 1250/04.A -, vom 17. September 2004 - 13 A 3598/04.A -, vom 5. August 2004 - 13 A 2160104.A - und vom 15. Oktober 2004- 18 B 2140/03).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich aber daraus, dass der Kläger an einer paranoiden Schizophrenie leidet und sich diese Erkrankung bei einer Rückkehr in das Heimatland erheblich verschlimmern würde. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten im Einzelnen dargelegt, dass der Kläger es beim Kläger zu einer "wahnhaft anmutenden Verarbeitung von Kriegserlebnissen mit Wahnwahrnehmung und pathologischer Eigenbeziehung" kommt. Außerdem fänden sich akustische Halluzinationen im Form von Stimmen und Körpermissempfindungen (S. 32 des Gutachtens). Als Ursache hat Dr. Florange neben einer psychoreaktiven Auslösung durch Kriegsereignisse Anfang der 90er Jahre vor allem eine genetische Disposition angesehen. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass sich die Erkrankung des Klägers in einem überschaubaren Zeitraum deutlich verschlimmern wird. Nach der zum Zeitpunkt des Ergehens angefochtenen Bescheides und dem der mündlichen Verhandlung (30. März 2004) noch nicht eindeutigen, mittlerweile aber gefestigten Auskunft- und Erkenntnislage (vgl. z.B. die Botschaftsberichte des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo in Pristina vom 10. Dezember 2004, ASYLIS-Nr.: SER00058463, vom 27. Oktober 2004, ASYLIS-Nr.: SER00057963, vom 21. Juni 2004, ASYLIS-Nr: SER00056903 und vom 7. Juni 2004, ASYLIS-Nr.: SER00056865, auf die das Gericht die Beklagte unter dem 9. Mai 2005 hingewiesen hat) ist eine paranoide bzw. paranoid-halluzinatorische Schizophrenie nicht bzw. nicht adäquat medizinisch behandelbar. Ob dies schon alleine und für sich ausreichen würde, ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot zu bejahen, kann hier offen bleiben. Besondere Bedeutung kommt im Fall des Klägers dem Umstand zu, dass bei einer akuten Dekompensation im Kosovo nicht die Möglichkeit einer Aufnahme und Behandlung in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung besteht (vgl. den Botschaftsbericht des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo in Pristina vom 21. Juni 2004, ASYLIS-Nr: SER00056903, auf den das Gericht die Beklagte unter dem 9. Mai 2005 hingewiesen hat). Gerade eine derartige stationäre Aufnahme ist aber bei großer Erregung, Suizidalität oder Wahn erforderlich (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage 2002, S. 1405). Dieser Aspekt ist im Falle des Klägers auch deshalb bedeutsam, weil er nachweislich, nämlich vom 22. Juli 2003 bis 8. September 2003 im Klinikum Niederberg wegen eines akuten psvchotischen Schubes eingeliefert werden musste. Das Erfordernis der sofortigen Unterbringung des Klägers in einer geschlossene psychiatrischen Klinik wird z.B. von dem Facharzt für Neurologie L. in seiner Bescheinigung vom 25. Juli 2003 hervorgehoben. Hinzu kommt, dass es durchaus Anhaltspunkte gibt, dass der Kläger nicht unerhebliche organisatorische Probleme haben wird, zu den entsprechenden Ärzten zu gelangen und/oder an die entsprechenden Medikamente zu kommen. Derartige Schwierigkeiten werden als konkret angesehen werden müssen, und zwar auch wenn man unterstellt, dass seine Ehefrau ebenfalls kurz- oder mittelfristig in den Kosovo zurückkehren wird. Denn diese leidet nicht nur selbst an psychischen Problemen, sondern hat zusätzlich zwei minderjährige Kinder zu versorgen. Bei dieser Sach- und Rechtslage drängt sich jedenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der aktuellen und eindeutigen Auskunftslage eine weitere Sachaufklärung nicht auf, zumal insbesondere die Beklagte zu dem gerichtlichen Hinweis vom 9. Mai 2005 nicht Stellung genommen hat.