OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.04.2005 - 13 A 346/05 - asyl.net: M6643
https://www.asyl.net/rsdb/M6643
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Rücknahmefiktion, Rechtsschutzinteresse, Rechtsweggarantie, Betreibensaufforderung, Mitwirkungspflichten
Normen: AsylVfG § 81; GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

Die Annahme der Rücknahmefiktion nach § 81 Satz 1 AsylVfG, der als solcher mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 -, NVwZ Beil. 1/1999, 17) bzw. eine nach einem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens erfolgte gerichtliche Feststellung, dass das gerichtliche Verfahren beendet ist, ist nur gerechtfertigt, wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für Zweifel am Fortbestehen des - für jede Klage erforderlichen - Rechtsschutzinteresses eines Klägers bestehen und wenn dementsprechend die der Rücknahmefiktion vorangehende Betreibensaufforderung ordnungsgemäß war. Berechtigte Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses können sich dabei u. a. daraus ergeben, dass ein Kläger prozessuale Mitwirkungspflichten, die gerade auch in Asylverfahren und insbesondere hinsichtlich der gegen eine mögliche Abschiebung sprechenden persönlichen Umstände bestehen, nicht erfüllt und damit ein Desinteresse an der weiteren Verfolgung seines prozessualen Begehrens zeigt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. September 2002 - 1 B 103/02 -, NVwZ Beil. 1/2003, 17, und vom 5. Juli 2000 - 8 B 119/00 -, NVwZ 2000, 1297; OVG M.-V., Beschluss vom 16. Januar 2002 - 2 L 118/00 -, NordÖR 2002, 224; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 86 Rd nr.11,12).

So liegt der Fall hier.

Vor diesem Hintergrund und in Kenntnis des Umstands, dass in Asylverfahren die Kläger regelmäßig ein großes Interesse an einem Zeitgewinn haben und auch die Verfahrensweise des Bevollmächtigten des Klägers in diesen Verfahren häufig diesen Eindruck erweckt, bestand für das Verwaltungsgericht ein berechtigter Anlass für die mit Verfügung vom 6. April 2004 (dieses Datum ist im Original der Verfügung enthalten) erfolgte Anfrage, ob die Klage vom 26. März 2004 zurückgenommen wird. Hat das Verwaltungsgericht in einem Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss bzw. in einem Beschluss wegen Erlasses einer einstweiligen Anordnung zum Ausdruck gebracht, dass das Vorbringen des Asylbewerbers oder des Abschiebungsschutz Begehrenden im Hauptsacheverfahren aus seiner Sicht unbegründet ist, darf es den Kläger eines Asylverfahrens auffordern, sich zu der Rechtsansicht des Gerichts zu äußern und damit auseinanderzusetzen, um dem Gericht Gelegenheit zu geben, eventuell in weitere Erwägungen einzutreten oder (Amts)Ermittlungen vorzunehmen. Es ist dem Kläger grundsätzlich zuzumuten, sich hierauf zu äußern, insbesondere mitzuteilen, ob er - auch wenn er sich mit der Ansicht des Gerichts nicht auseinandersetzen will - das Verfahren gleichwohl fortführen will, eben weil er die Rechtsansicht des Gerichts für falsch hält. Unabhängig davon, dass es für einen Prozessbeteiligten ohnehin selbstverständlich sein sollte, Anfragen des Gerichts und auch solche wegen Fortführung des Verfahrens zu beantworten, bezieht sich dies auch auf eine Antwort - evtl. mit einem schlichten "Ja" oder "Nein"- auf die hier in Frage stehende gerichtliche Anfrage, ob die Klage zurückgenommen wird.