1. Posttraumatische Belastungsstörungen sind in Sri Lanka behandelbar und begründen regelmäßig kein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
2. Das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher auch bei Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung allenfalls in spezifischen Umständen des Einzelfalls begründet sein.
3. Einzelfall einer Klägerin, der die notwendige medizinische Behandlung im Falle der Rückkehr nach Sri Lanka dort nicht zugänglich ist.
1. Posttraumatische Belastungsstörungen sind in Sri Lanka behandelbar und begründen regelmäßig kein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
2. Das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher auch bei Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung allenfalls in spezifischen Umständen des Einzelfalls begründet sein.
3. Einzelfall einer Klägerin, der die notwendige medizinische Behandlung im Falle der Rückkehr nach Sri Lanka dort nicht zugänglich ist.
(Amtliche Leitsätze)
Hiervon ausgehend ist die Beklagte verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Staat Sri Lanka vorliegen.
1. Ein Abschiebungshindernis ergibt sich nicht allein aus dem Umstand, dass die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet (hierzu a). Die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen ist vielmehr in Würdigung der zur Verfügung stehenden einschlägigen Erkenntnisquellen in Sri Lanka grundsätzlich sichergestellt; Betroffene können regelmäßig auf die dort vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten verwiesen werden (hierzu b).
a) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt und insoweit behandlungsbedürftig ist.
Im Hinblick auf die erkennbaren Schwierigkeiten, die die Klägerin bei der Einordnung der Zeit(en), in denen sie im Soldatenlager festgehalten worden sein will, gezeigt hat, und die verschiedentlich festzustellende mangelnde Anschaulichkeit ihrer Darstellung ist zu berücksichtigen, dass die Erkrankung der posttraumatischen Belastungsstörung die Fähigkeit, über zurückliegende Ereignisse in einer Weise zu berichten, dass die gängigen "Realitätskennzeichen" erfüllt sind, in verschiedener Hinsicht beeinträchtigen kann. Sie kann etwa dazu führen, dass der Betreffende zu vermeiden sucht, über die traumatisierenden Ereignisse zu sprechen, um nicht mit ihnen konfrontiert zu werden. Möglich soll sogar eine "Abspaltung" bestimmter Inhalte sein mit der Folge, dass diese dem Betreffenden zeitweise nicht zugänglich sind; bei Kindheits-Traumata wird ein hoher Anteil partieller oder totaler Amnesien angenommen. Auch können Konzentrations- oder Erinnerungsstörungen auftreten, die die Rekonstruktion von Ereignissen und dementsprechend einen schlüssigen und widerspruchsfreien Vortrag erschweren (vgl. Marx, InfAuslR 2003, 21 (24), m.w.N.; Wolff, Asylmagazin 2002, 11; Birck, ZAR 2002, 28).
b) Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin an posttraumatischer Belastungsstörung erkrankt ist und dringender Behandlungsbedarf besteht, ergibt sich gleichwohl für sie kein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn es ist davon auszugehen, dass posttraumatische Belastungsstörungen in Sri Lanka jedenfalls soweit behandelbar sind, dass der Eintritt existenzieller Leibes- und Lebensgefahren nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, entsprechende Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen und betroffene Rückkehrer aus Deutschland Zugang zu den entsprechenden Einrichtungen sowie eine Behandlung in einem mindestens zur Vermeidung schwerer Folgen ausreichenden Umfang erhalten können.
Diese Bewertung stützt sich auf die aussagekräftigen und hinreichend aktuellen Auskünfte der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland vom 23. September 2004 und vom 11. März 2004 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf, vom 29. Juli 2003 an das Verwaltungsgericht Münster, vom 3. Juli 2003 an die Stadt Bochum, vom 23. Januar 2003 an das Verwaltungsgericht Arnsberg, vom 5. Dezember 2002 an Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, vom 31. Mai 2002 an die Stadt Moers, vom 30. Mai 2002 an das Verwaltungsgericht Münster und vom 24. Mai 2002 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie des Auswärtigen Amtes vom 23. Oktober 2000 an das Verwaltungsgericht Dresden (aa). Andere Stellungnahmen namentlich des Sachverständigen Keller-Kirchhoff und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe stellen diese nicht durchgreifend in Zweifel (bb).
Die Behandelbarkeit posttraumatischer Belastungsstörungen in Sri Lanka bejahen ebenfalls: VG Augsburg vom 13. Oktober 2003 - 2 K 02.30452 -; VG Bayreuth, Urteil vom 20. Februar 2003 - 4 K 02.31094 -; VG Gelsenkirchen, etwa Urteile vom 24. März 2004 - 19 a K 547/03.A - und vom 1. April 2003 - 6a K 1744/01.A -; VG Düsseldorf, etwa Urteil vom 4. März 2003 - 18 K 2353/01.A -; VG Münster, etwa Urteil vom 9. Dezember 2003 - 9 K 663/02.A - und Beschluss vom 4. Februar 2005 - 9 L 1722/04.A -; ablehnend dagegen VG Frankfurt, Urteil vom 22. Januar 2003 - 9 E 1483/01.A -; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18. April 2000 - 12 L 4639/99 - (auf der Grundlage des Erkenntnisstands im Jahre 2000).
An dieser Beurteilung ändern schließlich die Auswirkungen der Flutwelle vom 26. Dezember 2004, die die Küstengebiete im Osten und Süden Sri Lankas verwüstet und dort mehr als 30.000 Todesopfer gekostet hat (FAZ vom 4.1.2005; FR vom 10.1.2005), nicht grundsätzlich etwas. Es steht zwar zu befürchten, dass eine große Zahl Menschen durch diese Ereignisse "traumatisiert" worden ist. Abgesehen davon, dass nicht feststeht - gesicherte Erkenntnisse können insoweit naturgemäß noch nicht vorliegen -, wie hoch die Zahl derer ist, die infolgedessen dauerhaft psychisch erkranken werden, ist aber nicht anzunehmen, dass die insbesondere im Raum Colombo gegebenen, oben näher erörterten Behandlungsmöglichkeiten durch den möglichen Anstieg der Zahl Behandlungsbedürftiger nunmehr solchen Hilfesuchenden, die aufgrund der Bürgerkriegsereignisse an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, verschlossen sind.
Es gibt keine Erkenntnisse, dass die oben genannten Einrichtungen vollständig oder auch nur in wesentlichen Teilen von dem Tsunami zerstört worden wären. Sie sind überwiegend im Raum Colombo gelegen, der von der Flutwelle nur vergleichsweise geringfügig betroffen ist; Zerstörungen in größerem Ausmaß hat es dort nicht gegeben. So ist die Klinik Angoda nahe Colombo etwa 10 km im Landesinneren gelegen, die Klinik "Sahanaya" in der Kitulwatte Road im Stadtgebiet von Colombo mindestens 3 km von der Küste entfernt. Auch die Büros des FRC befinden sich zum überwiegenden Teil deutlich im Landesinneren und/oder in von der Flutwelle nicht betroffenen Gebieten.
Im Übrigen ist anzunehmen, dass Opfer der Flutkatastrophe, so sich bei ihnen eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, wegen dieses Leidens nicht sämtlich oder auch nur in erheblicher Zahl medizinische Hilfe in Anspruch nehmen werden, dies zumal in Colombo. Insoweit ist zum einen auf die obigen Ausführungen zur in Sri Lanka verbreiteten Zurückhaltung zu verweisen, sich wegen psychischer Erkrankungen in Behandlung zu begeben und zum anderen darauf, dass Colombo vom überwiegenden Teil der betroffenen Gebiete weit entfernt ist, weshalb die internationalen Hilfeorganisationen vielfach Hilfe vor Ort anbieten.
Gerade das FRC sieht, wie oben dargelegt, sein Mandat überdies auf im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg Traumatisierte beschränkt.
Die Feststellung, dass posttraumatische Belastungsstörungen in Sri Lanka grundsätzlich behandelbar sind, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass in Einzelfällen eine erhebliche Verschlimmerung der Erkrankung aufgrund des Phänomens der sogenannten "Retraumatisierung" mit der Folge eintreten kann, dass der Betreffende einer erfolgversprechenden Behandlung nicht mehr zugänglich ist. Ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG kann insoweit nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls angenommen werden (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 18. Januar 2005 - 8 A 1242103.A -, S. 15 des Urteilsabdrucks; Beschluss vom 13. April 2005 - 8 A 930104.A -).
Ob die erzwungene Rückkehr des Betreffenden trotz grundsätzlicher Behandelbarkeit der posttraumatischen Belastungsstörung im Heimatland ausnahmsweise aufgrund besonderer Gegebenheiten Folgen hat, die auf ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen (können), weil etwa ein psychischer Zusammenbruch mit dauerhaften Folgen, der eine erfolgversprechende Behandlung dort unmöglich machen würde, oder gar akute Suizidgefahr konkret droht, ist demgemäß nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Wird dergleichen geltend gemacht, ist allerdings zu verlangen, dass unter Angabe näherer Einzelheiten nachvollziehbar dargelegt wird, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte des Einzelfalls - insoweit mögen beispielsweise das Fehlen familiärer oder sonst stützender Bindungen sowie anderer protektiver Faktoren und/oder der bisherige Krankheitsverlauf eine Rolle spielen - das ausnahmsweise anzunehmen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostizierbar sein soll.
2. Für die Klägerin ist zwar nicht aufgrund drohender Retraumatisierung, aber aufgrund sonstiger besonderer Umstände ihres Einzelfalls trotz der im Grundsatz gegebenen Behandlungsmöglichkeit der bei ihr vorliegenden Erkrankung, auf die ein Betroffener regelmäßig verwiesen werden kann, ausnahmsweise ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzuerkennen. Sie wird nämlich nach Einschätzung des Senats unter den Bedingungen in Sri Lanka überhaupt nicht in der Lage sein, sich die in ihrem Fall dringend erforderliche und grundsätzlich zugängliche Behandlung in Sri Lanka zu beschaffen. Unter diesen Umständen besteht die konkrete Gefahr, dass es bei ihr im Heimatland zu schweren psychischen Beeinträchtigungen bis hin zu existenzbedrohenden Zuständen kommt.