VG Osnabrück

Merkliste
Zitieren als:
VG Osnabrück, Urteil vom 05.04.2005 - 5 A 595/04 - asyl.net: M6661
https://www.asyl.net/rsdb/M6661
Leitsatz:

Freiwillige Ausreise von Roma in das Kosovo ist nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen i.S.d. § 25 Abs. 5 AufenthG unmöglich.

 

Schlagwörter: D (A), Serbien und Montenegro, Roma, Kosovo, Ausreisehindernis, Unmöglichkeit, Zumutbarkeit, UNMIK, Memorandum of Understanding, Passlosigkeit, EU-Laissez-Passer
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5
Auszüge:

Freiwillige Ausreise von Roma in das Kosovo ist nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen i.S.d. § 25 Abs. 5 AufenthG unmöglich.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Maßgeblich für ihr Begehren ist nunmehr die Vorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll unter dieser Voraussetzung erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Zwar ist die Klägerin vollziehbar ausreisepflichtig. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt jedoch weiter voraus, dass die Ausreise des Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen - von ihm nicht verschuldeten - Gründen unmöglich ist. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.

Der freiwilligen Ausreise der Klägerin nach Serbien-Montenegro steht nicht entgegen, dass sie nunmehr geltend macht, Roma und nicht - wie ihre Eltern in den ersten Asylverfahren vortrugen - Albanerin zu sein. Zur Frage der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr von Roma in den Kosovo hat das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 03.06.2004 (8 LB 84/04) - noch zur alten Rechtslage, aber bereits nach den "März-Unruhen" - ausgeführt: ...

Aus Sicht des Gerichtes gibt es - auch unter Berücksichtigung der vom Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Argumente - keinen Anlass diese Frage unter Geltung des neuen Aufenthaltsgesetzes anders zu entscheiden. Dafür das nach der Intention des Gesetzgebers humanitäre Gründe nicht zur Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG führen sollen - wie sie bisher auch bei 30 Abs. 3 und 4 AuslG unbeachtlich waren - , spricht, dass man jene - wie bereits vorher in § 30 Abs. 2 AuslG - auch in § 25 Abs. 4 AufenthG wieder ausdrücklich aufgenommen hat, wohingegen § 25 Abs. 5 AufenthG - wie bisher § 30 Abs. 3 und 4 AuslG - nicht auf diese abstellt, sondern die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit - nicht Unzumutbarkeit - der Ausreise fordert.

Während § 30 Abs. 4 AuslG die Formulierung enthielt. "..., es sei denn der Ausländer weigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen.", so fordert § 25 Abs. 5 AufenthG nunmehr, dass die "Ausreise" des Ausländers "aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist" und er "unverschuldet an der Ausreise gehindert ist". Diese geänderte Formulierung hat ihren Grund darin, die subjektiven Möglichkeiten des Ausländers an der Beseitigung der die Ausreise hindernden Umstände mitzuwirken, besser erfassen zu können. Zudem sollte ausweislich der Gesetzesbegründung klargestellt werden, dass nicht allein Abschiebungshindernisse die Unmöglichkeit der Ausreise begründen können, sondern die Ausreise ggf. auch aus subjektiven Gründen unmöglich sein kann (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT15/240) zu dem jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG entsprechenden Text des § 25 Abs. 6 AufenthG auf S. 80). Dies impliziert jedoch nicht, dass damit die Schwelle für das Vorliegen von Ausreisehindernissen abgesenkt werden sollte oder etwa die Zumutbarkeit als Kriterium eingeführt werden sollte. Vielmehr sollte nach Auffassung des Gerichts der herrschenden Rechtsprechung zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG Rechnung getragen werden. Diese hat nämlich auch in der Vergangenheit unter der Geltung des § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG ausgeführt, dass in Einzelfällen ein Hindernis im Sinne dieser Normen vorliegen und die Abschiebung aus verfassungsrechtlichen Gründen z.B. mit Blick auf Art 6 GG, Art. 8 EMRK "unzumutbar" und damit "rechtlich unmöglich" sein könne (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1997, 1 C 9/95, NVwZ 1997, 1114-1116, OVG Rheinland-Pfalz 10. Senat Urt. v. 12.03.2004, 10 A 11717/03, InfAuslR 2004, 294, VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.03. 2001, 13 S 2643/00, InfAuslR 2001, 283). Dies ist damit begründet worden, dass nicht nur ein Abschiebeverbot gemäß § 51 Abs. 1 AuslG oder ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG dazu führen könne, dass die Abschiebung nicht durchgeführt werden darf und damit rechtlich unmöglich ist, sondern sich diese Unmöglichkeit auch aufgrund vorrangigen Rechts, also namentlich der Grundrechte, ergeben könne. Dafür dass nur dieser Rechtsprechung Rechnung getragen werden sollte, spricht zudem, dass die Begründung des Gesetzesentwurfs ausdrücklich auf den "bereits in § 30 Abs. 3,4 AuslG enthaltenen" Ansatz verweist und nur in diesem Zusammenhang die Prüfung der "subjektiven Möglichkeit - und damit implizit auch die Zumutbarkeit -" verlangt. Für die Einführung des eigenständigen Tatbestandsmerkmals der Zumutbarkeit, dass ggf. Raum für die Prüfung von der Ausreise entgegenstehenden humanitären Gründe ließe, lässt sich daraus nichts entnehmen.

Ein Anspruch der Klägerin auf die beantragte Aufenthaltserlaubnis ergibt sich auch nicht aus dem in dem Schreiben des VG Hannover zitierten Erlass des MI vom 21.01.2002, wonach die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise nicht angenommen werden darf, wenn ihr dieselben Gründe entgegenstehen, die bereits zur Aussetzung der Abschiebung geführt haben. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass eine Verwaltungsvorschrift als solche nicht anspruchsbegründend sein kann. Ein Anspruch aus einer solchen käme nur in Betracht in Verbindung mit Art. 3 GG als Recht auf Gleichbehandlung bei der Ermessensausübung. Wie bereits dargelegt, liegen jedoch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vor, so dass für eine Ermessensentscheidung insoweit kein Raum ist. Zudem ist gerichtsbekannt, dass die Ausländerbehörden zu keinem Zeitpunkt hinsichtlich der Roma aus dem Kosovo die Voraussetzungen dieses Erlasses bejaht und ihn auf diese Gruppe angewandt haben. Die Nichtanwendung begründet sich wohl daraus, dass nach Auffassung der Verwaltung im Falle der Roma keine humanitären, sondern tatsächliche Gründe zu dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums des Inneren, wonach Roma von der zwangsweisen Rückführung in den Kosovo ausgenommen sind, und damit zur Aussetzung der Abschiebung geführt haben. Dieser Erlass beruht nämlich - wie sich aus ihm selbst und dem Kontext ergibt - nicht darauf, dass das Innenministerium für diese Bevölkerungsgruppe von einer allgemeinen Gefahrenlage im Sinne von § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG bzw. § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ausgeht und deshalb die Abschiebung nach § 54 AuslG bzw. § 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG aus humanitären Gründen ausgesetzt hat. Hintergrund dieser Erlasslage ist vielmehr, dass sich die UNMIK-Verwaltung gegenwärtig auf der Grundlage des bisherigen Memorandums weigert, aus dem Kosovo stammende Angehörige der Minderheit der Roma zurückzunehmen. Der Erlass und damit auch die Aussetzung der Abschiebung trägt somit einem tatsächlichen Abschiebungshindernis Rechnung. Dass die UNMIK die Rücknahme der Roma ggf. auch aus humanitären Gründen ablehnt, bedeutet nicht, dass die Ausländerbehörden bzw. das Ministerium diese Einschätzung teilten oder an diese bei der Anwendung des Erlasses an die Auffassung der UNMIK gebunden wären.

Auch dass die Klägerin keinen Pass besitzt, steht ihrer Ausreise nicht entgegen, denn als Roma aus dem Kosovo besteht die Möglichkeit mit dem EU-Laissez-Passer in den Kosovo einzureisen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sie ihre Passlosigkeit zu vertreten hat und damit auch diese der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegensteht.

Da somit die freiwillige Ausreise der Klägerin, nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vor. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die vom Gesetzgebers u.a. durch § 25 Abs. 5 AufenthG verfolgte Intention, die Praxis der "Kettenduldungen" zu beenden, jedenfalls im Fall der erheblichen Zahl der Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo, für die ein Abschiebestopp besteht, nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt. Gleichwohl lässt der eindeutige Wortlaut des § 25 Abs. 5 AufenthG, der ausdrücklich die Unmöglichkeit der Ausreise verlangt, nach Auffassung des Gerichts keine andere Auslegung zu.