OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04.03.2005 - 7 B 885/05 - asyl.net: M6675
https://www.asyl.net/rsdb/M6675
Leitsatz:

1. Nach Inkrafttreten des Zuwanderungsrechts beurteilt sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in asylrechtlichen Verfahren auch bezüglich eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nach § 80 Abs. 5 VwGO.

2. Hat der Asylbewerber bereits vor dem 1. Januar 2005 gegen die mit dem Bescheid des Bundesamtes verfügte Abschiebungsandrohung Klage erhoben, ist ihm - bezogen auf sein Begehren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG - für einen nunmehr eingelegten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für die versäumte Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 S. 1 AsylVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 VwGO) zu gewähren.

 

Schlagwörter: zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Frist, Fristversäumnis, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Zuwanderungsgesetz, Entscheidungszeitpunkt, Gesetzesänderung, Übergangsregelung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; VwGO § 80 Abs. 5; AsylVfG § 36 Abs. 3 S. 1; VwGO § 60 Abs. 1
Auszüge:

1. Nach Inkrafttreten des Zuwanderungsrechts beurteilt sich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in asylrechtlichen Verfahren auch bezüglich eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nach § 80 Abs. 5 VwGO.

2. Hat der Asylbewerber bereits vor dem 1. Januar 2005 gegen die mit dem Bescheid des Bundesamtes verfügte Abschiebungsandrohung Klage erhoben, ist ihm - bezogen auf sein Begehren nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG - für einen nunmehr eingelegten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für die versäumte Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 S. 1 AsylVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 Abs. 1 VwGO) zu gewähren.

(Amtliche Leitsätze)

 

Das System des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Abschiebungsandrohungen in asylrechtlichen Verfahren hat mit Inkrafttreten des AufenthG eine wesentliche Änderung erfahren. Nach § 59 Abs. 3 S. 2 AufenthG ist in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Während die bis 31. Dezember 2004 geltende Regelung in § 50 Abs. 3 S. 2 AuslG auf Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG (nunmehr § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG) beschränkt war, ist nunmehr auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG (vormals § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG) für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung beachtlich; § 41 AsylVfG ist mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgehoben worden. Demnach ist in Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer asylrechtlichen Klage (§§ 36 Abs. 3, 4 AsylVfG) nunmehr auch zu prüfen, ob - entgegen der Auffassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht (§§ 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in Verbindung mit 59 Abs. 3 S. 2 AufenthG).

Wegen der Regelung in § 77 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz AsylVfG ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen, so dass statthafter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der asylrechtlichen Klage (§ 80 Abs. 5 VwGO) ist. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO mit dem Begehren, das Vorliegen eines Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen, kommt nicht mehr in Betracht (§ 123 Abs. 5 VwGO).

Unter Berücksichtigung dessen ist nach Auffassung des Gerichts die Versäumung der Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 S. 1 AsylVfG bezogen auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG - auch im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S.1 GG) - nicht schuldhaft. Die Änderungen des Ausländer- und Asylrechts durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. S. 1950), die zu einer Vereinheitlichung des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes in asylrechtlichen Streitigkeiten geführt haben, zielen nicht darauf, dem betroffenen Asylbewerber, dessen Asylbegehren vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes beschieden worden ist, die nach dem bisherigen Recht bestehende Möglichkeit zu nehmen, auch im Hinblick auf Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG um vorläufigen Rechtsschutz nachzusuchen. Es wäre aufgrund der obigen Erwägungen nicht sachlich gerechtfertigt, diese Möglichkeit allein denjenigen Ausländern im Wege des § 80 Abs. 7 VwGO vorzubehalten, die bereits zuvor zwar fristgerecht, aber erfolglos einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt haben. Gegenteiliges lässt sich den Übergangsvorschriften (vgl. u.a. § 102 AufenthG) nicht entnehmen.