VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 27.04.2005 - 3 L 245/05 - asyl.net: M6710
https://www.asyl.net/rsdb/M6710
Leitsatz:

Eine Verfügung, die Anfertigung eines Lichtbildes zu dulden, kann auf die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 OBG NRW gestützt werden.

 

Schlagwörter: D (A), Duldung, Abgelehnte Asylbewerber, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Persönliches Erscheinen, Passfotos, Ermächtigungsgrundlage, Generalklausel, Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Ermessen, Unmittelbarer Zwang, Zwangsmittel, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 82 Abs. 4; AufenthG § 48 Abs. 3; AsylVfG § 15 Abs. 2; OBG NRW § 1 Abs. 2 S. 2; OBG NRW § 14 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

Eine Verfügung, die Anfertigung eines Lichtbildes zu dulden, kann auf die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 OBG NRW gestützt werden.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag ist überwiegend unbegründet. Lediglich die Rechtswidrigkeit der getroffenen Festsetzung unmittelbaren Zwangs rechtfertigt die begehrte Aussetzung der Vollziehung.

Soweit die in den Ordnungsverfügungen getroffenen Maßnahmen die Antragsteller offensichtlich nicht in ihren Rechten verletzen und sonstige Aussetzungsgründe nicht ersichtlich sind, überwiegt bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Abwägung das vom Antragsgegner geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.

Dies trifft auf die in den angegriffenen Ordnungsverfügungen jeweils enthaltene Ziffer 1 des Bescheidtenors zu. Dort heißt es:

"Hiermit ordne ich das persönliche Erscheinen (...) beim Ordnungsamt (...) an und gebe Ihnen auf, die Anfertigung von jeweils 2 Passfotos in den hiesigen Diensträumen zu dulden."

Die Anordnung findet ihre rechtliche Grundlage in § 82 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sowie in § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG NRW) i. V.m. mit den ausweisrechtlichen Mitwirkungspflichten nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und der zu seiner Durchführung erlassenen Aufenthaltsverordnung (AufenthV), wonach Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen "bei der Anfertigung eines Lichtbildes mitzuwirken" haben, vgl. § 60 Abs. 1 AufenthV.

Nach § 82 Abs. 4 des AufenthG kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde persönlich erscheint, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist. Das ist hier der Fall. Die Antragsteller sind nach gegenwärtigem Sachstand vollziehbar ausreisepflichtig und verletzten ihre ausweisrechtlichen Mitwirkungspflichten bei der Erstellung von Reisedokumenten dadurch, dass sie die notwendigen Lichtbilder nicht vorlegen.

Allerdings erscheint fraglich, ob § 82 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes neben dem persönlichen Erscheinen und der dort ausdrücklich genannten Durchführung einer ärztlichen Untersuchung die Behörde auch dazu ermächtigt, die Duldung der Anfertigung von Lichtbildern aufzugeben.

Diese Frage kann aber als entscheidungsunerheblich offen bleiben. Denn falls sie - wie die Antragsteller meinen und wofür in der Tat einiges spricht - zu verneinen sein sollte, kommt die ordnungsbehördliche Generalklausel in § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) NRW als einschlägige Rechtsgrundlage in Betracht. Insbesondere steht bei der (unterstellten) Nichtanwendbarkeit des § 82 Abs. 4 AufenthG nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 OBG NRW der Rückgriff auf die Generalklausel in § 14 OBG NRW offen.

Zwar werden die für einen Ausländer bestehenden ausweisrechtlichen Pflichten, um die es vorliegend bei der Mitwirkung an der Erstellung eines Reiseausweises für Ausländer durch Anfertigung entsprechender Lichtbilder geht, spezialgesetzlich durch Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (vgl. § 48 Abs. 3 AufenthG) und der dazu nach § 99 Abs. 1 Nr. 10 AufenthG ergangenen Aufenthaltsverordnung (vgl. §§ 5, 6 und 60 AufenthV) normiert. Weiterhin enthält das Äsylverfahrensgesetz für Personen, die - wie die Antragsteller - in der Vergangenheit erfolglos einen Asylantrag gestellt haben in § 15 Abs. 2 Nm. 4 und 6 AsylVfG passrechtliche Mitwirkungspflichten. Diese - abstrakt generell geltenden - Vorschriften beinhalten aber keine Ermächtigung für die Ausländerbehörde, die sich aus ihnen ergebenden Pflichten im Falle ihrer Nichtbefolgung mittels Verwaltungsakt für den einzelnen Ausländer zu konkretisieren. Diese Befugnis ergibt sich vielmehr aus der allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG NRW, da die Ausländerbehörde insoweit in ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörde tätig wird (vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschluss vom 9. Februar 2004 - 18 B 811/03 -, juris).

Die unstreitig vollziehbar ausreisepflichtigen und nicht von der Passpflicht befreiten Antragsteller verwirklichen durch ihr Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG NRW.

Des Weiteren hat der Antragsgegner das ihm auf der Rechtsfolgenseite des § 14 Abs. 1 OBG NRW eingeräumte behördliche Ermessen nicht überschritten, indem er in Ziffer 1 seiner Ordnungsverfügungen die Antragsteller zur Duldung der Anfertigung von Lichtbildern verpflichtet hat.

Außergewöhnliche Umstände, welche die Duldung der Anfertigung von Lichtbildern als begründungsbedürftig erscheinen lassen (vgl. etwa zu dem Gebot, bei der Anfertigung von Lichtbildern ein Kopftuch zu tragen, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. März 2000 - 24 CS 00.12 -, NVwZ 2000, 952) liegen nicht vor.

Der Aussetzungsantrag ist allerdings begründet, soweit er sich gegen die jeweils unter Ziffer 3 der Ordnungsverfügungen erfolgte Festsetzung unmittelbaren Zwangs richtet.

Die Voraussetzungen der insoweit allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage in § 64 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) NRW liegen nicht vor, weil der unmittelbare Zwang vor seiner Festsetzung nicht wie nach § 57 Abs. 2 VwVG NRW erforderlich mit oder nach Erlass der Grundverfügung angedroht worden ist, sondern bereits in der Ordnungsverfügung vom 17. November 2004 erfolgte und damit in unzulässiger Weise vor Erlass der angegriffenen Grundverfügung ergangen ist.