VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.03.2005 - 5 E 7141/03.A - asyl.net: M6733
https://www.asyl.net/rsdb/M6733
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Versorgungslage, soziale Bindungen, Sicherheitslage, Allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage, Hilfsorganisationen, Erlasslage, Abschiebungsstopp
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2
Auszüge:

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger sich schon deshalb nicht auf das Asylgrundrecht nach Art. 16 a Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann, weil er aus einem sicheren Drittstaat i. S. v. Art. 16 a Abs. 2 S. 1 GG, § 26 a Abs. 2 AsylVfG eingereist ist. Darüber hinaus ist das Bundesamt zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG a. F. = § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen. Auch insoweit wird auf den angegriffenen Bescheid, S. 3 - 4, Bezug genommen. Durch die neue Rechtslage hat sich insoweit nichts geändert.

Abschiebehindernisse bestehen nicht. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 6 Aufenthaltsgesetz liegen zweifelsfrei nicht vor. Aber auch die Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (§ 53 Abs. 6 S. 1 AuslG a. F.) sind nicht gegeben.

Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht derart existenzielle Gefahren, die ihn individuell und konkret treffen und ihn damit aus dem Kreis der durch die allgemeine Gefahrenlage betroffenen Personen herausheben, so dass ein Abweichen von der politischen Grundentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz gerechtfertigt wäre. Soweit der Kläger sich darauf beruft, wegen seines Vaters Probleme in Afghanistan zu haben, bleibt sein Vortrag unsubstantiiert. Nach den eigenen Angaben war der Vater des Klägers ein bedeutender Holzhändler für die Regierung Najibullah. Er war aber kein Parteimitglied und auch sonst nicht politisch tätig. Weshalb den Kläger heute deshalb Schwierigkeiten erwarten sollten, ist nicht nachvollziehbar. Das gilt auch für die Behauptung, den Kläger erwarteten Probleme wegen einer Blutrache durch die Dorfbewohner.

Zwar können die aus der allgemeinen wirtschaftlichen und Sicherheitslage resultierenden Gefahren für Leib und Leben von Rückkehrern nicht vollständig ausgeschlossen werden. Jedoch ist die Sicherheits- und Versorgungslage zumindest im Raum Kabul nicht derart schlecht, dass der Kläger dort bei einer Rückkehr einer extremen Gefährdung ausgesetzt wäre. Nach dem neuesten

Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 03.11.2004 hat sich die Sicherheits- und Versorgungslage gegenüber den früheren Feststellungen nicht grundsätzlich geändert. Bereits im Lagebericht vom 06.08.2003 wurde wie auch jetzt ausgeführt, dass im Raum Kabul aufgrund der ISAF-Präsenz die Lage vergleichsweise zufriedenstellend sei, jedoch fragil bleibe. Diese sei vom UNHCR seit Mitte 2002 für freiwillige Rückkehrer als "ausreichend sicher" bezeichnet worden. Nach den Angaben des UNHCR seien im Jahre 2003 etwa 1 Million Afghanen nach Afghanistan zurückgekehrt, davon knapp 500.000 mit Hilfe des UNHCR. Die Zahl der Rückkehrer sei zwar zurückgegangen; doch kämen die Rückkehrer in den meisten Fällen bei Familienangehörigen unter. UNHCR habe mit verschiedenen Organisationen eine Vereinbarung über die Errichtung einer begrenzten fünfstelligen Zahl von Unterkünften in den Provinzen und der Zentralregion um Kabul geschlossen. Ein Teil der Afghanen scheue die Rückkehr aus Furcht vor einer möglichen Verwicklung in Kampfhandlungen und wegen der Vernichtung der Existenzgrundlagen. Die Versorgungslage habe sich in Kabul zwar grundsätzlich verbessert, wegen mangelnder Kaufkraft profitierten jedoch längst nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage. Jedoch ist festzustellen, dass nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes nach wie vor Flüchtlinge nach Afghanistan zurückkehren.

Darüber hinaus sind in Afghanistan insgesamt eine Vielzahl von Hilfsorganisationen tätig, die sich um Flüchtlinge und den Aufbau des Landes kümmern. Allerdings wirkt sich das insbesondere wegen der Sicherheitslage regional unterschiedlich aus. Am weitesten ausgeprägt ist die Infrastruktur für Hilfeleistungen in der Region Kabul.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund muss dem Kläger eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden. Seine Familie lebt noch in seiner Heimatregion Zadran, so dass er in den Familienverband, zu dem auch noch ein Bruder der Mutter mit seiner Familie gehört, zurückkehren kann. Er könnte aber auch in Kabul leben. Ihn trifft die fragile Sicherheits- und die schwierige Versorgungslage genauso wie andere Rückkehrer und viele nicht geflüchtete Afghanen wie auch

seine Familie. Ihm wird - u. U. mit Hilfe der jedenfalls auch in Kabul tätigen Hilfsorganisationen - zumindest ein Überleben möglich sein (ebenso OVG Hamburg, U. v. 11.04.2003 - 1 Bf 104/01.A- juris -; a. A. VG Wiesbaden, das generell bei Rückkehrern eine existenzbedrohende Gefahr annimmt).