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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 30.03.2005 - 1 B 11.05 - asyl.net: M6767
https://www.asyl.net/rsdb/M6767
Leitsatz:

Eine Rechtsfrage, die sich nur auf eine nach der Berufungsentscheidung in Kraft getretene neue Rechtsgrundlage bezieht (hier: § 25 Abs. 5 Satz 2 bis 4 AufenthG), verleiht der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und kann deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen. (amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: D (A), Revisionsverfahren, Nichtzulassungsbeschwerde, Grundsätzliche Bedeutung, Gesetzesänderung, Zuwanderungsgesetz, Aufenthaltsbefugnis, Übergangsvorschriften, Entscheidungszeitpunkt, Entscheidungserheblichkeit
Normen: VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; AuslG § 30 Abs. 5; AufenthG § 25 Abs. 5
Auszüge:

Eine Rechtsfrage, die sich nur auf eine nach der Berufungsentscheidung in Kraft getretene neue Rechtsgrundlage bezieht (hier: § 25 Abs. 5 Satz 2 bis 4 AufenthG), verleiht der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und kann deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen. (amtlicher Leitsatz)

 

Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dient in erster Linie der Sicherung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung durch Klärung offener Rechtsfragen (vgl. Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte 1971, Rn. 3 ff.; Schoch/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand 2004, § 132 Rn. 4, 32 f.). Nicht hingegen ist es seine Aufgabe, die auf der Grundlage des neuen Rechts nunmehr zu treffende Entscheidung zu gewährleisten und so der Einzelfallgerechtigkeit zu dienen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden, dass sich eine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage nicht schon daraus ergibt, dass sich das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene Urteil möglicherweise auf Grund einer nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getretenen Gesetzesänderung als fehlerhaft erweist (vgl. etwa Beschlüsse vom 15. Oktober 1968 - BVerwG 3 B 73.68 - BVerwGE 30,266 267 f.> und vom 23. April 1969 - BVerwG 3 B 84.68 - ZLA 1969, 198 199>; vgl. auch Beschluss vom 29. März 1961 - BVerwG 3 B 43.60 - Buchholz 27.3 § 339 LAG Nr. 120 = NJW 1961, 1229).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei anderen Fallgestaltungen - etwa bei der Prüfung der Klärungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsfragen des geltenden Rechts - auf die Lage zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde abzustellen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2003, IV ZR 78/02, NJW 2003, 1609; ähnlich Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, Rn. 231). So kann ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf nachträglich entfallen, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsfrage nach Erlass der Berufungsentscheidung in einem anderen Verfahren klärt (vgl. in diesem Sinne auch Weyreuther, a.a.O.). Das bedeutet indes nicht, dass die Revision auch gleichsam umgekehrt zur Klärung von solchen Rechtsfragen eröffnet werden müsste, die durch eine Rechtsänderung nach Erlass des Berufungsurteils neu entstehen. Es ist grundsätzlich nicht der Sinn der Revisionszulassung, die Anwendung neuen Rechts im Einzelfall ohne Vorprüfung durch die Instanzgerichte zu ermöglichen. Das muss auch deshalb gelten, weil in dem angestrebten Revisionsverfahren der von den Tatsachengerichten ermittelte Sachverhalt zugrunde zu legen ist mit der Folge, dass Rechtsänderungen regelmäßig zu einer Zurückverweisung führen müssten. Eine Zulassung der Revision wegen Rechtsänderungen, die im Verlauf des Zulassungsverfahrens eintreten, würde den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde zudem davon abhängig machen, wann das Bundesverwaltungsgericht entscheidet (vgl. kritisch hierzu Seiler, NJW 2003, 2290). Außerdem könnten in einem solchen Fall die Anschauungen der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte zu der neuen Rechtslage nicht berücksichtigt werden, womit dem Zweck der Revisionszulassung, nämlich Sicherung der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung nicht gedient wäre.

Im Übrigen bedarf es auch nicht der Eröffnung der Revision, um einen etwaigen Anspruch des Klägers aus § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG durchzusetzen. Dem Kläger steht es offen, einen hierauf gerichteten Antrag bei der zuständigen Behörde zu stellen. Soweit die geltend gemachte Gesetzesänderung das angefochtene Urteil ergreift, steht dessen - nach Zurückweisung der Beschwerde eintretende - Rechtskraft einer Neubescheidung auf Grund der geänderten Gesetzeslage nicht entgegen (so bereits Beschluss vom 15. Oktober 1968 - BVerwG 3 B 73.68 - BVerwGE 30, 266 268>).