VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Urteil vom 07.03.2005 - 6 G 333/05.A (3) - asyl.net: M6808
https://www.asyl.net/rsdb/M6808
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Asylantrag, Offensichtlich unbegründet, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Abschiebungsanordnung, Abschiebungsandrohung, Zulässigkeit, Wochenfrist, Fristversäumnis, Zustellung, Gemeinschaftsunterkünfte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen: AsylVfG § 34a Abs. 2; AsylVfG § 35
Auszüge:

Dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 18.02.2005 (Eingang bei Gericht) muss der Erfolg versagt bleiben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Eilantrag bereits nach § 34a Abs. 2 AsylVfG unstatthaft ist, oder ob dem Antragsteller zugute zu halten ist, dass anstelle der aus den von ihm angeführten Gründen rechtswidrigen Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylVfG hätte ergehen müssen, wegen der die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes statthaft gewesen wäre.

Der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes steht vorliegend jedenfalls schon die Bestandskraft des streitbefangenen Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) vom 11.10.2004 entgegen, weil die hiergegen am 28.12.2004 erhobene Klage (6 E 3039/04.A) nach Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Eilverfahren verfristet erhoben sein dürfte und eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Versäumnis der Klagefrist nicht in Betracht kommen dürfte.

Jedenfalls für das Eilverfahren ist davon auszugehen, dass der vorgenannte Bescheid bestandskräftig geworden ist, weil der Antragsteller den fehlgeschlagenen Zustellversuch vom 08.12.2004 gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG gegen sich gelten lassen muss und die Klage nicht innerhalb der danach am 08.12.2004 in Gang gesetzten Klagefrist von 2 Wochen erhoben worden ist.

Ausweislich der Zustellungsurkunde vom 08.12.2004 scheiterte der Versuch der Zustellung daran, dass der Antragsteller unter der Anschrift der Gemeinschaftsunterkunft, in der er seine Wohnung zu nehmen hatte, nicht zu ermitteln war. Zuvor war bereits ein Zustellversuch über die Ausländerbehörde gescheitert, der Antragsteller konnte am 09.11.2004 nicht in der Gemeinschaftsunterkunft angetroffen werden. Auch weitere Versuche der Polizei, den Antragsteller dort anzutreffen, waren gescheitert, weshalb der Antragsteller schließlich zur Fahndung ausgeschrieben worden ist.

Soweit der Antragsteller ausführt, der Zustellversuch durch die Post sei gescheitert, weil an den Briefkästen der Gemeinschaftsunterkunft die Namen der Bewohner nicht alle aufgeführt seien, handelt es sich um keinen Zustellungsmangel, der den Lauf der Klagefrist hätte hindern können. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylVfG hat vielmehr der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen unter anderem des Bundesamtes erreichen können. Dazu

gehört nicht nur die Angabe eines jeden Wechsels der Anschrift, sondern auch die Vorsorge der Auffindbarkeit unter der angegebenen Wohnanschrift. Der Antragsteller hätte daher entweder selbst (gegebenenfalls mit Hilfe eines Dritten) an dem ihm zugewiesenen Briefkasten ein Namensschild anbringen oder bei der Hausverwaltungi-leitung daraufhinwirken müssen, dass sein Name an einem der Briefkästen der Gemeinschaftsunterkunft angebracht wird. Zumindest aber hätte er dem Bundesamt Mitteilung davon machen müssen, dass die Briefkästen in der Gemeinschaftsunterkunft nicht ordnungsgemäß beschildert sind und die Postsendungen einschließlich der Zustellungen daher über die Verwaltung/Leitung der Gemeinschaftsunterkunft oder über einen vom Antragsteller benannten Dritten erfolgen müssten. Dem hat der Antragsteller aber nicht entsprochen.

Soweit der Antragsteller weiterhin geltend macht, der Postzusteller mache sich nie die Mühe, die Räume der Bewohner der Unterkunft aufzusuchen, sondern beschränke sich darauf, anhand der Briefkästen zu ermitteln, ob dort deren Name aufgeführt ist, steht dies der Zustellfiktion des § 10 Abs. 2 AsylVfG ebenfalls nicht entgegen. Der Antragsteller verkennt hier im Gegenteil, dass es, - gerade im Hinblick auf die vom Antragsteller selbst eingeräumte hohe Fluktuation in Gemeinschaftsunterkünften, nicht zur Aufgabe eines Postzustellers gehört, dort alle bewohnten Zimmer aufzusuchen und nach dem Adressaten einer zuzustellenden Briefsendung zu fragen. Es ist im Gegenteil Aufgabe der Bewohner, selbst dafür Sorge zu tragen, dass sie durch ordnungsgemäße Beschriftung des ihnen jeweils zugewiesenen Briefkastens postalisch erreichbar sind.

Die übrigen Ausführungen des Antragstellers zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Zustellung in einer Gemeinschaftsunterkunft sind nicht einschlägig, weil vorliegend nicht nach einer Feststellung des Wohnsitzes des Antragstellers in der Gemeinschaftsunterkunft in den Räumen der Verwaltung/Leitung der Gemeinschaftsunterkunft eine (Ersatz)Zustellung ohne vorherigen Versuch unternommen worden war, den Antragsteller in seinem Zimmer aufzusuchen. Der Postzusteller konnte vielmehr bereits nicht ermitteln, dass sich der Antragsteller (noch) in der Gemeinschaftsunterkunft aufhält.

Soweit der Antragsteller ferner geltend macht, die Strafvollstreckungsbehörden hätten den AntragsteIler immerhin in der Gemeinschaftsunterkunft aufgefunden und festgenommen, mithin gewusst, dass sich der Antragsteller dort aufhielt, kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese nicht verifizierte Angabe angesichts eines gegenteiligen Aktenvermerks in der Bundesamtsakte, wonach der Antragsteller zur Fahndung ausgeschrieben worden ist, weil er in der Gemeinschaftsunterkunft mehrfach nicht angetroffen worden sei, überhaupt glaubhaft ist. So kann jedenfalls eine etwaige entsprechende Kenntnis der Strafvollzugsbehörden nicht dem Postzusteller zugerechnet werden, der sich aufgrund seiner AufgabensteIlung (anders als Strafverfolgungsbehörden) bei seiner Prüfung dessen, ob der Adressat einer Postsendung unter der fraglichen Anschrift wohnt, auf das Lesen der vorhandenen Namensschilder an Briefkästen und Haustürklingeln beschränken kann. Keinesfalls aber kann es ihm zugemutet werden, hierzu vor Ort umfassende Ermittlungen, unter anderem durch Aufsuchen einer Mehrzahl von Zimmern, anzustellen.

Muss der Antragsteller demnach aber den fehlgeschlagenen Zustellversuch vom 08.12.2004 gegen sich gelten lassen, ist die am 28.12.2004 erhoben Klage deutlich zu spät erhoben worden und der Bundesamtsbescheid vom 11.10.2004 bestandskräftig geworden, weil auch nicht ersichtlich ist, dass dem Antragsteller im Klageverfahren wegen Versäumnis der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren wäre. Der Antragsteller hat, anders als für den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, für die Klage schon keinen hierauf gerichteten Antrag gestellt, sondern allein geltend gemacht, die Klagefrist habe bereist mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht zu laufen begonnen. Das Gericht vermag derzeit aber auch keine Umstände für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen zu erkennen.