SG Hannover

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Zitieren als:
SG Hannover, Beschluss vom 25.04.2005 - S 51 AY 42/05 ER - asyl.net: M6810
https://www.asyl.net/rsdb/M6810
Leitsatz:
Schlagwörter: Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), 36-Monats-Frist, Rechtsmissbrauch, Aufenthaltsdauer, Passbeschaffung, Serbien und Montenegro, Kosovo, Roma, Abschiebungsstopp
Normen: SGG § 86b Abs. 2; AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

Eine einstweilige Anordnung kann das Gericht gem. § 86b Abs. 2 SGG zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber dem Antragsgegner besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche Nachteile zu entstehen drohen.

Der Antragsteller haben keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung. Abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG ist das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch nach dieser Vorschrift nur auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

Die Antragsteller zu 2.) und 3.) erfüllen bereits schon nicht die zeitlichen Voraussetzungen der genannten Vorschrift. Sie können nicht schon 36 Monate im Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen haben, weil sie erst 2003 bzw. 2004 geboren wurden. In der Rechtsprechung ist es geklärt, dass jeder Ausländer die zeitlichen Voraussetzungen in eigener Person erfüllen muss (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 17.Juli 2000 -­ 7 B 3184/00 ­- und VG Hannover, Urteil vom 11.02.2002 ­- 7 A 789/01 -).

Die Antragstellerin zu 1.) hat zwar bereits länger als 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Ihr steht aber deshalb kein Anspruch auf erhöhte Leistungen zu, weil sie die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst.

Das Gericht hat zur Frage, wann eine rechtsmissbräuchliche Einflussnahme vorliegt, im Beschluss vom 08.02.2005 ­ S 51 AY 12/05 ER u.a. ausgeführt:

"Von einem Rechtsmissbrauch, d.h. einer missbräuchlichen Ausnutzung von Rechten und Vorschriften, kann vielmehr erst dann ausgegangen werden, wenn Ausländer versuchen, eine Rechtsposition unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu erlangen und auszunutzen. Etwa, in dem sie falsche Angaben machen, um einer Abschiebung zu entgehen und so ihren Aufenthalt zu verlängern, beispielsweise wenn sie eine falsche Identität vorspiegeln und/oder wahrheitswidrige Angaben zu ihrer Herkunft machen bzw. diese Daten verschweigen, sogenannte Scheinehen eingehen oder, um eine Duldung zu erzwingen, bei der Beschaffung von notwendigen Reisedokumenten nicht mitwirken bzw. vorhandene Reisepässe und andere Identitätspapiere zurückhalten oder gar vernichten (vgl. auch die Beispiele in der BT-Drucks. 14/7387, a.a.O.)."

Nach diesen Grundsätzen liegt ein Rechtsmissbrauch vor.

Die Antragstellerin zu 1.) hat ausdrücklich erklärt, sie weigere sich, an einer Passbeschaffung mitzuwirken (vgl. Bl. 117 der beigezogenen Verwaltungsvorgänge). Nach unbestrittener Darstellung der Antragsgegnerin wurde ihr nur deshalb eine weitere Duldung ausgestellt, weil wegen der fehlenden Reisedokumenten eine Rückführung in das Heimatland nicht möglich ist.

Zwar hat das Gericht auch entschieden, dass ein früherer Rechtsmissbrauch dann keinen Einfluss mehr auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG hat, wenn der jetzige Aufenthalt eines Ausländers nicht mehr darauf beruht, sondern andere Gründe hat (Beschluss vom 04.02.2005 ­ S 51 AY 10/05 ER). Davon kann aber bei den Antragstellern nicht die Rede sein.

Zwar behauptet die Antragstellerin, sie sei eine Roma aus dem Kosovo. Nach Ansicht des Gerichts, der Rechtsprechung der vor dem 01.01.2005 für Fragen des AsylbLG zuständigen 7. Kammer des Verwaltungsgerichts und nach der asylrechtlichen Rechtsprechung des zuständigen Senats des OVG Lüneburg bestehen zwar keine Abschiebungshindernisse für Roma aus dem Amselfeld. Es ist jedoch gerichtsbekannt, dass aufgrund von Anordnungen der obersten niedersächsischen Ausländerbehörde die Antragsgegnerin bei diesem Personenkreis gleichwohl keine Abschiebungen vornimmt. Fiele die Antragstellerin unter den Personenkreis, der aufgrund ihrer Herkunft derzeit nicht abgeschoben wird, würde die mangelnde Mitwirkung bei der Beschaffung von Reisepapieren nicht ursächlich für ihren weiteren Verbleib in der Bundesrepublik sein.

Nach der vorliegenden Aktenlage (Bl. 122 der Verwaltungsvorgänge) hat sich die Antragstellerin zu 1.) wohl für kurze Zeit vor ihrer Ausreise nach Deutschland im Kosovo aufgehalten. Ihr ständiger Wohnsitz befand sich aber außerhalb des Amselfeldes in Belgrad. Volksangehörige der Roma aus den restlichen Gebieten Serbiens werden jedoch abgeschoben und die Antragsgegnerin hat auch glaubhaft vorgetragen, die Antragstellerin ­wenn denn Papiere vorliegen ­ abschieben zu wollen. Dies reicht für die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung aus, um einen Anspruch zu verneinen.