VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2005 - 13 K 1229/01.A - asyl.net: M6813
https://www.asyl.net/rsdb/M6813
Leitsatz:

§ 60 Abs. 7 AufenthG für Staatsangehörigen von Côte d'Ivoire wegen Hypertonie, da die notwendige Behandlung nicht finanzierbar ist.

 

Schlagwörter: Côte d'Ivoire, Krankheit, Abschiebungshindernis, Hypertonie, Medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Allgemeine Gefahr, Extreme Gefahrenlage
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

§ 60 Abs. 7 AufenthG für Staatsangehörigen von Côte d'Ivoire wegen Hypertonie, da die notwendige Behandlung nicht finanzierbar ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Die Voraussetzungen der zuletzt genannten Fallgruppe liegen beim Kläger vor.

Er leidet an arterieller Hypertonie II (mittelschwerem Bluthochdruck) und ist auf kontinuierliche ärztliche Betreuung und regelmäßige Versorgung insbesondere mit den Medikamenten Carvedilol 25 und Votum 20 (einem Sartan, das nicht durch einen anderen Wirkstoff ersetzt werden kann) angewiesen. Ein Absetzen der Medikation wie auch eine nur unregelmäßige Einnahme der Medikamente, aber auch das Fehlen einer kontinuierlichen ärztlichen Betreuung könnte einen krisenhaften Anstieg des Bluthochdrucks schon innerhalb weniger Tage bewirken. Dadurch würde das Risiko, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, drastisch ansteigen. Das ergibt sich aus den Ausführungen der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T, in deren Behandlung der Kläger steht (Attest vom 11. Mai 2004, Gutachterliche Stellungnahme vom 23. September 2004).

Bei einer Rückkehr in sein Heimatland zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre dem Kläger die notwendige Behandlung und Medikation voraussichtlich nicht zugänglich ist. Wie sich aus den im vorliegenden Klageverfahren eingeholten Auskünften der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Abidjan vom 25. November 2004 und 12. Januar 2005 ergibt, ist in der Republik Côte d`Ivoire zwar eine kontinuierliche ärztliche Betreuung gewährleistet und sind auch die Medikamente erhältlich. Allerdings ist für Votum 20 nur ein Substitut verfügbar, so dass sich die Frage stellt, ob dieses Substitut - was erforderlich wäre - den Wirkstoff Sartan enthält. Das kann aber offen bleiben. Jedenfalls wären dem Kläger Behandlung und Medikation deshalb nicht zugänglich, weil er die dafür erforderlichen finanziellen Mittel nicht aufbringen könnte. Bei Privatbehandlung liegen, den erwähnten Auskünften zufolge, die Kosten zwischen 15.000 und 30.000 CFA (23 bi s 46 Euro). Zwar betrügen sie in einer staatlichen Einrichtung nur 5.000 CFA (7,50 Euro); dass der Kläger dort einen Platz erhalten würde, ist jedoch ganz unsicher.

Der Kläger würde aller Voraussicht nach nicht in der Lage sein, den für eine Privatbehandlung erforderlichen Betrag (zwischen 15.000 und 30.000 CFA monatlich) aufzubringen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass er eine Erwerbstätigkeit aufnehmen könnte, um so ein entsprechendes Einkommen zu erzielen. Wie der Kläger angegeben hat, hat er seinerzeit 1997 bei Verlassen des Landes seine Stelle als Lehrer aufgegeben, so dass schon wegen der Länge der seitdem verstrichenen Zeit eine Wiedereinstellung wenig wahrscheinlich ist. Eine mit stärkerer körperlicher Belastung verbundene Tätigkeit dürfte im übrigen im Hinblick auf seine Krankheit ausscheiden. Zusätzlich ist die labile politische Situation in der Republik Côte d`Ivoire seit dem Putschversuch im Herbst 2002 und die sich in der Folge ergebende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu berücksichtigen. So stieg die Armutsquote von September 2002 bis Anfang 2004 von 38 v.H. auf 44 v.H. (Third progress report of the Secretary-General on the United Nations operation in Côte d`Ivoire vom 09.12.2004, S. 14). Schließlich ist auch nicht zu erwarten, dass der Kläger die erforderlichen finanziellen Mittel von Verwandten erhalten würde. Wie er in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Fragen ausgeführt hat, haben seine Freundin, die Mutter seiner Kinder, und auch seine Mutter, bei der seine Kinder auch leben, keine Arbeit. Sie leben von dem Geld, das der Kläger ihnen schickt, und vermutlich von der Unterstützung durch Verwandte, deren Mittel aber nicht auch noch für den Kläger und dessen Krankenkosten ausreichen würden.

Ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG läge im übrigen auch dann vor, wenn die dem Kläger drohende Gefahr als eine solche einzuschätzen wäre, der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der er angehört, allgemein ausgesetzt ist. Wegen der Sperrwirkung des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wäre dann Voraussetzung für einen Schutz vor der Durchführung der Abschiebung, dass der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.Januar 1999 - BVerwG 9 B 617.98 -, NVwZ 1999, 68, und Urteil vom 8. Dezember 1998 - BVerwG 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77).

Die dem Kläger bei Fehlen der notwendigen Behandlung und Medikation drohenden Folgen stellen eine derartige extreme Gefahrenlage dar. Denn das Risiko, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden (und dadurch zu Tode zu kommen), würde drastisch ansteigen.