OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 27.06.2005 - 22 W 24/05 - asyl.net: M6823
https://www.asyl.net/rsdb/M6823
Leitsatz:

Der Ehegatte eines Ausländers ist nach § 5 Abs. 3 S. 2 FreihEntzG grundsätzlich vor Verhängung von Abschiebungshaft anzuhören, unabhängig davon, ob erhebliche Angaben zu erwarten sind.

 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Verfahrensmangel, Anhörung, Ehegatte, Sachverhaltsaufklärung
Normen: FreihEntzG § 5 Abs. 3 S. 2; FGG § 12
Auszüge:

Der Ehegatte eines Ausländers ist nach § 5 Abs. 3 S. 2 FreihEntzG grundsätzlich vor Verhängung von Abschiebungshaft anzuhören, unabhängig davon, ob erhebliche Angaben zu erwarten sind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Zu Recht rügt der Betroffene die unterbliebene Anhörung seiner Ehefrau. Nach 5 Abs. 3 Satz 2 FreihEntzG ist, sofern die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, auch der Ehegatte des Betroffenen zu hören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist (vgl. auch OLG Hamm vom 14.9.2001, 19 W 114/01). Kommt es in einem Abschiebungsverfahren auf die Art und die Intensität der familiären Bindungen an, bedarf es grundsätzlich der persönlichen Anhörung des Ehepartners (BayObLG vom 24.7.2000, 3Z BR 219/00).

Die Anhörung hat mündlich zu erfolgen und ist ein wesentlicher Bestandteil der dem Gericht obliegenden Sachaufklärungspflicht (OLG Frankfurt/M. vom 30. Januar 2003, 20 W 10/03). Die Regelung des § 5 Abs. 3 FrhEntzG soll einen Mindeststandard der nach § 12 FGG gebotene Sachaufklärung sicherstellen und gehört zu denjenigen Vorschriften, ohne deren Beachtung eine Freiheitsentziehung nicht zulässig ist (OLG Düsseldorf vom 1.3.1995, 3 Wx 64/95, und vom 3.6.96, 3 Wx 191/96). Eine ohne Anhörung des Ehegatten erfolgte richterliche Entscheidung über die Anordnung oder die Fortdauer der Auslieferungshaft wird jedenfalls dann, wenn Gründe für ein Absehen der Anhörung nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 Satz 3 FreihEntzG nicht vorliegen, verfahrensfehlerhaft sein und zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme führen (OLG Düsseldorf vom 12. Juli 1996, 3 Wx 295/96; OLG Celle vom 18.10.2000, 17 W 77/98).

Soweit eine Ladung der Ehefrau zu der Anhörung am 29. Oktober 2004 tatsächlich nicht möglich gewesen sein sollte und eine Entscheidung des Amtsgerichts an diesem Tage gleichwohl erforderlich war, hätte hiermit die Anordnung der Sicherungshaft aber nicht von vornherein für einen Zeitraum von drei Monaten erfolgen müssen. Dem Amtsgericht hätte vielmehr die Möglichkeit offengestanden, die Haft bzw. deren Fortdauer für zunächst nur kurze Zeit anzuordnen, die Ehefrau zu einem späteren weiteren Termin vorzuladen und sodann die Haft zu verlängern. Aber auch bei dem erfolgten Anordnen der Haft für den Zeitraum von sogleich drei Monaten wäre ein Nachholen der Anhörung der Ehefrau durch das Amtsgericht grundsätzlich möglich - und entsprechend der insoweit klaren Bestimmung des § 5 Abs. 3 FreihEntzG auch nötig gewesen. Dies mag einen als lästig zu empfindenden Mehraufwand bedeuten. Eine unverhältnismäßige Verzögerung im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 4 FreihEntzG liegt hierin aber noch nicht.

Die Auffassung, eine nachträgliche Anhörung der Ehefrau durch das Amtsgericht sei wegen nicht zu erwartender erheblicher Angaben nicht erforderlich gewesen, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Auf die Frage der Erheblichkeit der Angaben des Ehegatten stellt § 5 Abs. 3 FreihEntzG nicht ab. Ob - wie bei der Anhörung eines Betroffenen selbst - von einer Anhörung des Ehepartners im Beschwerdeverfahren abgesehen werden kann, wenn diese gegenüber einer früheren Anhörung keine neuen Erkenntnisse erwarten lässt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, weil schon das Amtsgericht die Ehefrau des Betroffenen entgegen § 5 Abs. 3 FreihEntzG nicht angehört hatte.