AG Hannover

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Zitieren als:
AG Hannover, Beschluss vom 06.06.2005 - 695-346 E 1 9/05 - asyl.net: M6832
https://www.asyl.net/rsdb/M6832
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Befangenheit, Befangenheitsantrag, Fristen, Stellungnahme
Normen: ZPO § 42 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Auszüge:

Gem. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei sind objektive Gründe maßgeblich, die aus Sicht des Ablehnenden bei objektiver und vernünftiger Betrachtung die Befürchtung der Voreingenommenheit wecken könnte. Nicht erheblich ist, ob sich der abgelehnte Richter für befangen hält oder tatsächlich befangen ist. Eine unsachgemäße, eine Partei in der Ausübung ihrer Rechte behindernde Verfahrensbearbeitung kann für die davon betroffene Partei den Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit ihr gegenüber beruhende Benachteiligung aufdrängen. Eine solche unsachgemäße Verfahrensbearbeitung kann in der Verfügung zur Stellungnahme binnen kurzer Frist von 2 Tagen auf den Schriftsatz der Ausländerbehörde vom 04.05.2005 gesehen werden. Zwar unterliegt die Verfahrensführung und damit auch die Beschleunigung des Verfahrens durch Fristsetzung grundsätzlich der richterlichen Unabhängigkeit und ist einer Einflussnahme Dritter entzogen. Auch ist zu berücksichtigen, dass vermeintlich verfahrensfehlerhafte Entscheidungen eines Richters grundsätzlich nicht im Wege des Befangenheitsgesuchs angegriffen werden können. Darüber hinaus wäre es nicht zulässig, durch ein Befangenheitsgesuch und die dadurch begründete Wartepflicht gem. § 47 ZPO Stellungnahmefristen auszudehnen. Jedoch ist im vorliegenden Fall die Stellungnahmefrist von 2 Tagen extrem kurz gewählt worden. Die vom Beschwerdeführer darüber hinaus angesprochene Rechtsfrage, ob das Gericht vor einer Entscheidung in der Hauptsache die Einsichtnahme des Betroffenen in Verwaltungsvorgänge abwarten oder aber diese beiziehen muss, ist für die Entscheidung in diesem Verfahren nicht erheblich. Diese Rechtsfrage müsste ggf. im Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache beantwortet werden.

Im vorliegenden Fall enthält die Stellungnahme der Ausländerbehörde vom 04.05.2005 Sachverhaltsangaben, die von der Antragsschrift im vorangegangenen Verfahren betreffend die Vorbereitungshaft abweichen. Zu diesen Tatsachen konnte der Betroffene bei lebensnaher Betrachtungsweise nicht innerhalb so kurzer Zeit Stellung nehmen, und zwar unabhängig von der fehlenden Einsicht in die Vorgänge der Ausländerbehörde. Zwar obliegt dem zuständigen Richter eine Verpflichtung zur Beschleunigung des Verfahrens, insbesondere in Haftsachen. Im vorliegenden Fall war aber die Haftentlassung des Betroffenen am 31.03.2005 erfolgt. Eine etwas länger gewählte Frist hätte folglich dem Beschleunigungsgebot genügt, zumal das Gericht die Überschreitung der Stellungnahmefrist der Ausländerbehörde von mehr als einer Woche zuvor ebenfalls abgewartet und seine Übersendungsverfügung an den Betroffenen am 10.05.2005 getroffen hat. Insofern bestehen bei verständiger Würdigung aus der Sicht des Ablehnenden Zweifel, ob dem Grundsatz des fairen Verfahrens durch Gewährung rechtlichen Gehörs innerhalb angemessener Frist Genüge getan wurde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass zwischen dem Aufenthaltsort des Betroffenen und dem Sitz des Gerichts bzw. des Bevollmächtigten eine erhebliche Entfernung liegt. Insofern werden die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters durch die subjektive Komponente auf Seiten des Ablehnenden unterstützt.