LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25.04.2005 - L 7 AY 7/05 ER u.a. - asyl.net: M6845
https://www.asyl.net/rsdb/M6845
Leitsatz:

Leistungskürzung nach § 1 a Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, wenn die Einreise in erster Linie erfolgte, um medizinische Versorgung in Deutschland zu erlangen.

 

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Einreise, um Sozialhilfe zu erlangen, Krankheit, medizinische Versorgung, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 1a Abs. 1 Nr. 4
Auszüge:

Leistungskürzung nach § 1 a Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG, wenn die Einreise in erster Linie erfolgte, um medizinische Versorgung in Deutschland zu erlangen.

(Leitsatz der Redaktion)

Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG beanspruchen zu können. Vielmehr hat das SG in dem angefochtenen Beschluss vom 11. Februar 2005 zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1a Nr. 1 AsylbLG angenommen. Nach dieser Regelung erhalten Leistungsberechtigte, die wie die Antragsteller, leistungsberechtigt im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist, wenn sie sich in den Geltungsbereich des Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen (Nr. 1). Dies ist im Fall der Antragsteller anzunehmen. Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen vor, wenn ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme der Leistung besteht. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur dann, wenn der Wille, die Leistung zu erhalten, einziger Einreisegrund ist. Beruht die Einreise auf verschiedenen Motiven, ist das Erfordernis des finalen Zusammenhangs auch erfüllt, wenn der Zweck der Inanspruchnahme von Leistungen für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung gewesen ist. Das bedeutet, dass die Möglichkeit, auf Leistungen nach dem AsylbLG angewiesen zu sein, für den Einreiseentschluss, sei es allein, sei es neben anderen Gründen, in besonderer Weise bedeutsam gewesen sein muss. Es genügt demgegenüber nicht, dass der Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG beiläufig erfolgt oder anderen Einreisezwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird. Die nur in das Wissen des Ausländers gestellten Gründe für seine Ausreise muss dieser benennen und widerspruchsfrei sowie substanzreich darlegen, um der Behörde und auch dem Gericht die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, ob der genannte Tatbestand erfüllt ist (BVerwG, Urteil vom 04.06.1992 - 5 C 22.87 - BVerfGE 90, 212 zur inhaltlich gleichen Regelung des § 120 BSHG; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, Kommentar, § 1a Rdnr. 10 f).

Dies zugrunde gelegt, liegen die Voraussetzungen des § 1a Nr. 1 AsylbLG vor. Die Antragsteller haben gegenüber dem Antragsgegner als Gründe für die Einreise im Beisein ihrer Tochter erklärt, dass es ihnen in L. nicht gut gegangen sei, weil sie dort keine Wohnung gehabt hätten und der Antragsteller zu 2) auch psychisch krank sei. Er wolle sich hier behandeln lassen, weil er das in L. nicht bezahlen könne. Die gleichen Gründe haben die Antragsteller in ihrer am 17. September 2004 beim Antragsgegner eingegangenen schriftlichen Stellungnahme genannt. Zudem haben die Antragsteller als Grund ihrer Einreise den Umstand genannt, dass sie als Angehörige des Roma-Volkes in L. keine Möglichkeit gehabt hätten, die psychische Erkrankung des Antragstellers zu 2) sowie die Zucker-, Herz-, Asthma-Erkrankung der Antragstellerin zu 1) behandeln zu lassen. Sie seien als Roma Menschen zweiter Klasse.

Diesen Erklärungen ist zu entnehmen, dass prägend für die Einreise der Antragsteller der ­ gut nachvollziehbare ­ Wunsch nach einer medizinischen Versorgung in Deutschland war, wenn auch möglicherweise der Wunsch, mit weiteren nahen Familienangehörigen zusammenzuleben ebenfalls von Bedeutung war. Das bedeutet indes, dass ihre Motivation für die Einreise wesentlich davon geleitet war, Leistungen nach dem AsylbLG, hier Leistungen nach § 4 AsylbLG zu erlangen. Eine hiervon abweichende Motivation haben die Antragsteller insbesondere auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht.