OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 09.02.2005 - 1 B 452/04 - asyl.net: M6883
https://www.asyl.net/rsdb/M6883
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Serben, Beschwerde, Beschwerdebegründung, Erlaubnisfiktion, Antrag, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Zustellung, öffentliche Zustellung, einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 146 Abs. 4 S. 3; AuslG § 69 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; § 81 Abs. 4; VwZG § 15; VwZG § 9;
Auszüge:

1.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des bis zum 31.12.2004 geltenden Ausländergesetzes galt der Aufenthalt eines Ausländers, der die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag als erlaubt, wenn sich der Ausländer zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Nach § 81 Abs. 4 des seit dem 01.01. 2004 geltenden Aufenthaltsgesetzes gilt bei einem Ausländer, der die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt, der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Die - im wesentlichen übereinstimmenden - Voraussetzungen beider Vorschriften liegen - jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Würdigung - in der Person des Antragstellers vor.

a)

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers vom 02.07.2002 nicht nachträglich beschränkt worden. Die Verfügung vom 21.03.2003, die eine solche nachträgliche Beschränkung enthielt, ist nicht wirksam zugestellt worden. Eine Heilung dieses Zustellungsmangel ist jedenfalls nicht vor dem 02.06.2004 eingetreten.

aa)

Die öffentliche Zustellung nach § 1 Abs. 1 BremVwZG i.V. m. § 15 VwZG ist nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. nur BVerwGE 104,301 <306f.> m.w. Nwn.) als "letztes Mittel" der Bekanntgabe nur zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln. Zwar kann nach § 15 Abs. 1 a VwZG durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist. Dafür reicht aber nicht aus, dass die Behörde den Aufenthaltsort nicht kennt. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Aufenthaltsort trotz gründlicher und sachdienlicher Bemühungen um Aufklärung nicht ermitteln lässt. Welche Möglichkeiten sich dafür angeboten hätten, zeigt das spätere Vorgehen der Kriminalpolizei. Wie sich aus deren Vermerk vom 25.03.2004 ergibt, konnte durch eine Anfrage bei der Ehefrau des Antragstellers ohne weiteres dessen Arbeitgeber in Hannover festgestellt werden. Es hätte deshalb nahegelegen, die Ehefrau zu befragen und dann den Antragsteller unter der Anschrift seines Arbeitgebers in Hannover zu erreichen zu versuchen, auch wenn er dort nicht gemeldet war. Gründe, warum die Antragsgegnerin gehindert gewesen wäre, diesen Weg zu beschreiten, sind nicht ersichtlich; sie sind auch nach dem Hinweisschreiben des Gerichts vom 21.12.2004 nicht geltend gemacht worden.

bb)

Die öffentliche Zustellung genügte nicht den Formerfordernissen. Der Tag des Aushängens und der Tag der Abnahme sind nach § 15 Abs. 3 Satz 3 VwZG von dem zuständigen Bediensteten auf dem Schriftstück zu vermerken. Dieser Vermerk ist seinem Wesen nach eine Zustellungsurkunde und deshalb mit vollem Namenszug zu unterzeichnen (BVerwGE 104,301 <311> unter Hinweis auf BGHZ 80,320 <321f.> und BFHE 143, 220 <223>). Auf dem Vermerk (Bl. 287 der Ausländerakte) befindet sich hingegen lediglich eine aus einem Buchstaben bestehende Paraphe.

cc)

Eine Heilung des Zustellungsmangels lässt sich nicht feststellen. Nach § 1 Abs. 1 BremVwZG i.V.m. § 9 VwZG gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, zu dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück erhalten, wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht zu fordern (BVerwGE 104,301 <313>; weitergehend Engelhardt/App, VwVfG/VwZG, 6. Aufl. 2004, Rn 4 zu § 15 VwZG unter Hinweis auf BGH NJW 2001,1946 <1948>: Der Empfangsberechtigte muss das Schriftstück "in die Hand bekommen" haben.). Hier ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller oder sein Prozessbevollmächtigter vor dem 02.06.2004 Kenntnis von der Verfügung erhalten haben. Jedenfalls befindet sich in den Akten kein Hinweis darauf, und auch die Antragsgegnerin hat keine Anhaltspunkte dafür angeben können. Die Unerweislichkeit geht zu Lasten der Behörde (Engelhardt/App, a.a.O. m.w.Nwn.). Auf den Zeitraum vor dem 02.06.2004 kommt es hier an, weil die Aufenthaltserlaubnis ohnehin bis zum 01.06.2004 befristet war und die nachträgliche zeitliche Beschränkung auf den Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung bezogen war. Nach dem 01.06.2004 konnte die nachträgliche Beschränkung also keine Wirkung mehr entfalten.

b)

Nachteilige Folgen für den Antragsteller können auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht am letzten Tag ihrer Geltung, dem 01.06.2004, sondern erst einen Tag später beantragt hat. Wie sich aus dem Vermerk der Kriminalpolizei vom 02.06.2004 ergibt, will der Antragsteller schon am 01.06.2004 vergeblich bei der Ausländerbehörde vorgesprochen, aber keinen Termin mehr erhalten haben; er sei daraufhin am 02.06.2004 erneut aus Hannover angereist, um den Verlängerungsantrag zu stellen. Diese Angaben erscheinen glaubhaft und werden auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Der Antragsteller ist daher so zu behandeln, als ob er bereits am 01.06.2004 einen Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis beantragt hätte.

Auf Grund der Fiktionswirkung der § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG, § 81 Abs. 4 AufenthG darf sich der Antragsteller daher gegenwärtig im Bundesgebiet aufhalten.

2.

Dieses Recht bedarf der Sicherung durch Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil die Gefahr besteht, dass seine Verwirklichung andernfalls vereitelt oder wesentlich erschwert würde (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Antragstellerin bestreitet nämlich, dass der Aufenthalt des Antragstellers gegenwärtig als erlaubt gilt, und hält ihn für ausreisepflichtig. Sie sieht sich gegenwärtig auch nicht in der Lage, über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre der Antragsteller daher voraussichtlich auf längere Zeit den Nachteilen ausgesetzt, die sich daraus ergeben können, dass die Antragsgegnerin seinen Aufenthalt als illegal ansieht.