VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 12.04.2005 - 1 K 5176/03.A - asyl.net: M6929
https://www.asyl.net/rsdb/M6929
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für Kurden aus Syrien, der in einer Folkloregruppe der Yekiti-Partei ein politisches Theaterstück konzipiert und aufgeführt hat.

 

Schlagwörter: Syrien, Kurden, Yekiti, Folkloregruppe, Mitglieder, Theateraufführung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für Kurden aus Syrien, der in einer Folkloregruppe der Yekiti-Partei ein politisches Theaterstück konzipiert und aufgeführt hat.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG liegen beim Kläger vor.

Wegen der von ihm geschilderten Aktivitäten für eine Folkloregruppe der Yekiti-Partei muss der Kläger bei Rückkehr mit Verfolgung rechnen. Diese Partei, für die er sich im Rahmen der Gruppe eingesetzt hat, hat - wie alle übrigen Kurden-Parteien - eine Doppelnatur. Einerseits ist sie politische Partei, die sich für die Rechte der Kurden auf Seiten dieser Volksgruppe engagiert. Insoweit ist sie verboten wie alle anderen Parteien auch, die nicht der Nationalen Progressiven Front angehören. Andererseits ist Yekiti auch das sozialorganisatorische Netz und die Interessenvertretung der Kurden auf praktisch-alltäglicher Ebene. Insoweit arbeiten ihre Mitglieder sogar mit syrischen Behörden zusammen. Aus derartigen Aktivitäten ergibt sich keine konkrete Gefährdung. Aktivitäten werden dort in einem gewissen, freilich relativ bescheidenen Maße, geduldet. "Rote Linie" ist jegliche öffentlichkeitswirksame nach außen organisiert hervortretende Tätigkeit. Diese ist nicht unbedingt an die jeweilige Partei gebunden. Denn die in Syrien tätigen Kurden-Parteien haben letztlich keine unterschiedlichen Profile und weisen keine konzeptionellen Verschiedenheiten auf (vgl. dazu im Einzelnen die Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts für das VG Aachen vom 20.12.2002 - 1307 ar/br- (S. 3 ff. m.w.N.) und vom 31.01.2005 für das VG Schleswig - 1629 al/br und 1628 al/br -).

Diese Grenze hat der Kläger überschritten. Das folgt allerdings nicht aus der Arbeit im Rahmen einer Yekiti-Folkloregruppe bis zum Oktober des Jahres 2002. Diese war den syrischen Behörden bekannt. In Damaskus hat sich sogar das Fernsehen dafür interessiert. Die Aktivitäten haben lediglich dazu geführt, dass der Kläger kurzfristig vor jedem Newroz-Fest festgenommen und befragt wurde. Weitere nachteilige Folgen haben sich für ihn daraus nicht ergeben. Die Situation hat sich jedoch für den Kläger geändert, als er im Oktober des Jahres 2002 auf Grund der entschädigungslosen Enteignung seines Hauses in Zusammenarbeit mit einem höher gestellten Mitglied der Yekiti-Partei beschlossen hat, über die Benachteiligung und die politischen Forderungen der Kurden ein Theaterstück zu konzipieren, zu proben und schließlich beim Newroz-Fest des Jahres 2003 aufzuführen. Diese Zielrichtung ging über die Pflege kulturellen Brauchtums hinaus, weil mit dem Stück politische Forderungen verbunden waren.