VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Urteil vom 10.05.2005 - 1 A 549/03 - asyl.net: M6932
https://www.asyl.net/rsdb/M6932
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Sippenhaft, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Nichtstaatliche Verfolgung, Verfolgung durch Dritte
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Kläger haben indes einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen.

Nach den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass in Afghanistan aufgrund der traditionell starken Stammesbindungen und -beziehungen Sippenhaft ausgeübt wird und in eine drohende abschiebungsschutzrelevante Verfolgung nicht nur die unmittelbar Betroffenen, sondern auch die engsten Familienangehörigen wie Ehegatten und Kinder einbezogen werden. Im vorliegenden Fall steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 18. August 2003 - 1 A 242/01 - fest, dass der Ehemann bzw. Vater der Kläger aufgrund seiner Vergangenheit in Afghanistan aktuell gefährdet ist. Die Kläger als dessen enge Familienangehörige laufen im Fall einer Rückkehr daher mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit Gefahr, ebenfalls einer abschiebungsschutzrelevanten sippenhaftähnlichen Gefährdungslage zumindest durch nichtstaatliche Akteure i. S. d. § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c) AufenthG ausgesetzt zu sein.

Eine inländische Fluchtalternative haben die Kläger bei dieser Sachlage ebenso wenig wie die erfolgversprechende Möglichkeit einer Schutzgewährung durch "staatliche" Stellen oder in Afghanistan operierende internationale Organisationen. Auf die vom Gericht bisher verneinte (vgl. etwa Urt. v. 6.5.2004 - 1 A 283/03 - und Urt. v. 18.8.2003 - 1 A 242/01 -) Frage, ob und inwieweit in Afghanistan inzwischen ein Staat oder staatsähnliche Organisationen, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen (staatliche Herrschaftsmacht), vorhanden sind oder nicht, kommt es im Rahmen der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG gemäß § .60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG nicht an.