VG Stade

Merkliste
Zitieren als:
VG Stade, Urteil vom 22.02.2005 - 2 A 306/05 - asyl.net: M7019
https://www.asyl.net/rsdb/M7019
Leitsatz:

Keine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung von Roma in Serbien und Montenegro einschließlich Kosovo.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Roma, Nichtstaatliche Verfolgung, UNMIK, KFOR, Schutzfähigkeit, Schutzbereitschaft, Anerkennungsrichtlinie, Märzunruhen, Flüchtlingsbegriff
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG
Auszüge:

Keine staatliche oder nichtstaatliche Verfolgung von Roma in Serbien und Montenegro einschließlich Kosovo.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte noch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz beziehungsweise des § 60 Abs. 1 Absätze 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz.

Eine asylrelevante Verfolgung der Klägerin allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit, die zur Anerkennung als Asylberechtigte führen könnte, ist weder im Kosovo noch im übrigen Serbien und Montenegro zu befürchten. Eine Gruppenverfolgung der Roma in Serbien und Montenegro einschließlich Kosovo findet nicht statt (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen OVG NRW), Beschlüsse vom 11. August 2003 - 5 A 2686/03.A -, vom 31. März 2003 - 5 A 559/03.A - und vom 4. Dezember 2002 - 5 A 4364/02.A- sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 27. April 2000 - A 14 S 2559/98 -. VG Aachen, Beschluss vom 14. Januar 2004, Az: 9 L 2382/03.A, zitiert nach Juris MWRE101090400). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausschreitungen gegenüber nicht-albanischen Minderheiten im Kosovo im März des Jahres 2004 (Nds. OVG, Beschluss vom 30. April 2004 - 8 LA 102/04 -). Hierbei handelt es sich um nicht flächendeckende Ereignisse, die als Einzelfälle anzusehen sind und nicht den Rückschluss darauf zulassen, dass die Angehörigen von ethnischen Minderheiten im Kosovo insgesamt vor derartigen Gefahren nicht sicher sind. Wiederholungen dieser Ereignisse haben sich nicht ergeben. Das ist auch nicht ersichtlich, dass die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) oder die KFOR nicht willens oder in der Lage sind, zukünftig gegen derartige Übergriffe vorzugehen. Daran ist auch im Hinblick auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2004 festzuhalten.

Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Eine Änderung der Rechtslage zu Gunsten der Klägerin ist auch nach dem Inkrafttreten des § 60 Aufenthaltsgesetz, der gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG als zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltendes Recht auch in diesem Verfahren Anwendung findet, nicht eingetreten. Zwar wird in § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz nunmehr auch die Verfolgung durch so genannte "nichtstaatliche Akteure" ausdrücklich erwähnt. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz bei Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure steht jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift weiterhin unter dem Vorbehalt, dass die staatlichen Behörden einschließlich der die staatlichen Behörden ersetzenden internationalen Organisationen - UNMIK und KFOR im Kosovo - nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Damit gibt die Vorschrift nur die Rechtslage wieder, die ständige Rechtsprechung sämtlicher Gerichte war. Eine materielle Rechtsänderung ist nicht eingetreten.

Der anderslautenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart schließt sich das Gericht nicht an. Das VG Stuttgart hat jüngst die Auffassung vertreten, durch das Inkrafttreten des § 60 Abs. 1 AufenthG, der als innerstaatliche Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. L 304 v. 30.09.2004, S. 14) anzusehen ist, und den hierdurch in das deutsche Recht übernommenen Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention, sei eine Rechtsänderung zu Gunsten der Minderheitenangehörigen im Kosovo eingetreten (vgl. Urteil vom 17.1.2005 - A 10 K 10587/04 - und Beschluss vom 31.1.2005 - 10 K 13481/04 -), die es nunmehr rechtfertige, Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 c Aufenthaltsgesetz zu gewähren.