OLG Köln

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Zitieren als:
OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2005 - 6 Ausl 63/05 - 31/05 - asyl.net: M7049
https://www.asyl.net/rsdb/M7049
Leitsatz:
Schlagwörter: Auslieferung, Auslieferungshaft, Europäischer Haftbefehl
Normen: EuAlÜbk Art. 12; EuAlÜbk Art. 16; SDÜ Art. 53 Abs. 1; IRG § 74 Abs. 2; IRG § 15 Abs. 1
Auszüge:

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferungshaft anzuordnen, ist zu entsprechen.

1. Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 18.07.2005 - 2 BvR 2236/04 - (NJW 2005, 2289) die deutschen Umsetzungsbestimmungen zum Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 21.07.2004, für nichtig erklärt hat, richtet sich das Auslieferungsverfahren im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wieder nach den insoweit maßgeblichen völkerrechtlichen Übereinkommen, insbesondere dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) und dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), und ergänzend nach dem Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Dies bedeutet für Europäische Haftbefehle aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Folgendes:

- Der Europäische Haftbefehl stellt sich - anders etwa als die Ausschreibung im Schengener Informationssystem gemäß Art. 95 SDÜ - weiterhin nicht nur als Antrag auf Festnahme, sondern auch als Antrag auf Auslieferung i. S. des Art. 12 EuAlÜbk dar. Dies hat der Senat im Anschluss an die Entscheidung des OLG Koblenz vom 21.07.2005 ((1) Ausl. - III - 15/05) für Europäische Haftbefehle, die vor dem 18.07.2005 eingegangen waren, bereits so entschieden (Beschluss vom 22.07.2005 - Ausl 61/05 -; ebenso nunmehr OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.08.2005 - III - 4 Ausl (A) 4/05 - 246/05 III -). Dies gilt jedoch auch für Europäische Haftbefehle, die erst nach dem 18.07.2005 in Deutschland eingegangen sind. Die Intention, die der Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Europäische Haftbefehl erlassen wurde, mit der Übersendung verbindet, richtet sich nicht nach dem derzeit aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland geltenden Recht, sondern nach dem Zweck des Europäischen Haftbefehls wie er sich aus dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl.EG vom 18.07.2002, Nr. L 190 S. 1) ergibt. Nach Erwägungsgrund 11 des Rahmenbeschlusses soll der Europäische Haftbefehl in den Beziehungen der Mitgliedstaaten alle früheren Instrumente bezüglich der Auslieferung ersetzen. Dementsprechend ist die im Europäischen Auslieferungsübereinkommen enthaltene Trennung zwischen einem Ersuchen um vorläufige Verhaftung (Art. 16 EuAlÜbk) und dem eigentlichen Auslieferungsersuchen (Art. 12 EuAlÜbk) nicht mehr vorgesehen; es gibt nur noch den Europäischen Haftbefehl.

- Die Übermittlung des Europäischen Haftbefehls muss entgegen Art. 12 Abs. 1 S. 1 EuAlÜbk nicht auf diplomatischem Wege erfolgen, sondern kann unmittelbar zwischen den Justizbehörden der beteiligten Länder geschehen. Art. 12 Abs. 1 S. 2 EuAlÜbk lässt eine Abweichung von der Übermittlung auf diplomatischem Wege aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den beteiligten Vertragsparteien ausdrücklich zu. Eine solche, die Bundesrepublik völkerrechtlich wirksam bindende Vereinbarung liegt vor. Sie ergibt sich zum einen aus Art. 53 Abs. 1 SDÜ und zum anderen aus Art. 9 Abs.. 1 des Rahmenbeschlusses, dessen völkerrechtliche Verbindlichkeit durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2005 nicht in Frage gestellt wird. Ebenso sind die innerstaatlichen Regelungen, aus denen sich die jeweils zuständige Justizbehörde ergibt,

durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2005 nicht berührt worden. Für Nordrhein-Westfalen sind dies § 74 Abs. 2 IRG i. V. m. der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (Zuständigkeitsvereinbarung) vom 04.05.2004 (BAnz Nr. 100 vom 29.05.2004) und dem Gemeinsamen Runderlass des Justizministeriums und des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen über die Ausübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (JMBl.NRW 2004, 171).