VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Beschluss vom 24.08.2005 - 9 L 600/05.A - asyl.net: M7075
https://www.asyl.net/rsdb/M7075
Leitsatz:

In Afghanistan besteht keine extreme allgemeine Gefahrenlage i.S.d. verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG.

 

Schlagwörter: Afghanistan, Extreme Gefahrenlage, Allgemeine Gefahr, Kabul, Sicherheitslage, Versorgungslage, Folgeantrag, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

In Afghanistan besteht keine extreme allgemeine Gefahrenlage i.S.d. verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Auch eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage bezüglich eines Anspruches auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sein wird.

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt betrachtet weiterhin angespannt.

Insgesamt betrachtet ist die allgemeine Sicherheitslage in Kabul derzeit jedoch nicht so, dass dort eine extreme Gefahrenlage für jeden Rückkehrer angenommen werden kann, die allein ein über den Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehendes Abschiebungshindernis begründen würde (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.03.2003 - 20 A 4270/97.A -; Beschluss vom 30.07.2003 - 20 A 3708/97.A -; OVG Hamburg, Urteil vom 24.10.2002 - 1 Bf 67/98.A -).

Hinsichtlich der Versorgungslage gilt für den Raum Kabul im Ergebnis nichts anderes. Die Versorgung der Bevölkerung hat sich nach den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 02.12.2002, 06.08.2003, 22.04.2004, 03.11.2004 und 21.06.2005 in Kabul und zunehmend auch in den anderen großen Städten grundsätzlich verbessert, auch wenn wegen der hohen Preise nicht alle Bevölkerungsschichten von der verbesserten Lage profitieren. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit haben Personen, die nicht in noch bestehende Familien- oder Stammesstrukturen zurückkehren können, die ihnen bei einer Wiedereingliederung behilflich sind, in der Regel keine Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten und sind auf die Unterstützung der Hilfsorganisationen angewiesen (vgl. Danesch vom 05.08.2002 a.a.O. und Dr. Bernt Glatzer, Gutachten vom 26.08.2002 für VG Schleswig). Die UN und die ausländischen Hilfsorganisationen versorgen in ganz Afghanistan gegenwärtig mehrere Millionen Afghanen, darunter viele Binnenvertriebene und Rückkehrer mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern (s.a. UNHCR Afghanistan aktuell vom 18.12.2002, 06.01.2003 und 18.08.2003). Dadurch stehen in den Großstädten genügend Lebensmittel zur Verfügung, so dass die Gefahr einer akute Hungersnot nicht besteht.

Im Ergebnis ergibt sich auch unter Berücksichtigung des vom Informationsverbund Asyl e.V. und der Stiftung Pro Asyl im Juni 2005 herausgegebenen Berichts "Rückkehr nach Afghanistan - Unter welchen Umständen können Flüchtlinge zurückkehren?" keine andere Bewertung der Lage. Der Bericht bestätigt die sehr schwierigen Verhältnisse, mit den zurückkehrende Flüchtlinge zurecht kommen müssen. Auch er zeigt jedoch nicht auf, dass mit einer Rückkehr eine extreme Existenzbedrohung, wie sie von der obergerichtlichen Rechtsprechung als Voraussetzung für einen Anspruch gesehen wird, verbunden ist.