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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 14.06.2005 - 1 C 11.04 - asyl.net: M7080
https://www.asyl.net/rsdb/M7080
Leitsatz:

Betreibt die Ausländerbehörde die Abschiebung eines Ausländers, ist sie gemäß § 63 Abs. 1 AuslG die für diese Maßnahme insgesamt zuständige Behörde im Sinne von § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, auch wenn sie zur Durchführung der Abschiebung die Polizei eines Landes oder den Bundesgrenzschutz heranzieht. Sie ist deshalb berechtigt, die gesamten Kosten der Abschiebung einschließlich der Kosten der hinzugezogenen Behörden durch Leistungsbescheid gegenüber dem Kostenschuldner zu erheben.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungskosten, Zuständigkeit, Sachliche Zuständigkeit, Bundesgrenzschutz, Polizei, Vollzugshilfe, Amtshilfe, Leistungsbescheid, Ausländerbehörde, Kostenerhebung
Normen: AufenthG § 67 Abs. 3; AufenthG § 71; AuslG § 83 Abs. 4 S. 1; AuslG § 83 Abs. 1; AuslG § 63 Abs. 1
Auszüge:

Betreibt die Ausländerbehörde die Abschiebung eines Ausländers, ist sie gemäß § 63 Abs. 1 AuslG die für diese Maßnahme insgesamt zuständige Behörde im Sinne von § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG, auch wenn sie zur Durchführung der Abschiebung die Polizei eines Landes oder den Bundesgrenzschutz heranzieht. Sie ist deshalb berechtigt, die gesamten Kosten der Abschiebung einschließlich der Kosten der hinzugezogenen Behörden durch Leistungsbescheid gegenüber dem Kostenschuldner zu erheben.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Revision der Beigeladenen ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der vom Kläger angefochtene Leistungsbescheid ist hinsichtlich der Kosten der Beigeladenen nicht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit des Beklagten rechtswidrig.

Die Rechtmäßigkeit des vom Kläger angefochtenen Leistungsbescheides ist nach den Vorschriften des Ausländergesetzes zu beurteilen. Das während des Revisionsverfahrens am 1. Januar 2005 in Kraft getretene neue Aufenthaltsgesetz ist hier nicht anwendbar. Für die Anfechtungsklage gegen den Leistungsbescheid vom 12. Februar 2003 über die Kosten der im April 2000 durchgeführten Abschiebung ist mangels anderslautender Übergangsbestimmungen auf die bisherige Rechtslage nach dem Ausländergesetz abzustellen. Im Übrigen haben sich die maßgeblichen Vorschriften, soweit sie hier einschlägig sind, nicht geändert (vgl. § 67 Abs. 3 und § 71 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 5 AufenthG).

Zutreffend ist das Berufungsgericht, anders als das Verwaltungsgericht, bei der Prüfung der Zuständigkeit des Beklagten nicht von den nur ergänzend heranzuziehenden Bestimmungen des Verwaltungskostengesetzes (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 2 AuslG), sondern von den spezielleren Vorschriften des Ausländergesetzes ausgegangen. Danach war der Beklagte als Ausländerbehörde berechtigt, die Kosten der Abschiebung auch insoweit geltend zu machen, als diese Kosten bei der zur Durchführung der Abschiebung herangezogenen Polizei des Landes sowie dem Bundesgrenzschutz entstanden sind.

§ 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG i.V.m. § 83 Abs. 1 AuslG bestimmt, wer für die Erhebung der durch die Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung entstandenen Kosten zuständig ist. Demnach werden die in § 83 Abs. 1 und 2 AuslG genannten Kosten von der nach § 63 AuslG zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. Gemäß § 63 Abs. 1 AuslG sind die Ausländerbehörden für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen und damit auch für Abschiebungen zuständig. Betreibt eine Ausländerbehörde - wie hier - die Abschiebung eines Ausländers, so ist sie nach § 63 Abs. 1 AuslG die für diese Maßnahme insgesamt zuständige Behörde, auch wenn sie zur Durchführung der Abschiebung die Polizei eines Landes oder den Bundesgrenzschutz heranzieht. Denn sie behält bis zum Abschluss des Abschiebungsvorgangs die rechtliche Sachherrschaft darüber, ob die Abschiebung durch- oder weitergeführt wird, während die herangezogenen Behörden nur über das "Wie" der Abschiebung entscheiden (vgl. Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, S. 268). Nur die Ausländerbehörde ist in diesen Fällen zuständige Behörde im Sinne des § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG und damit zur Erhebung der Gesamtkosten einschließlich der Kosten der hinzugezogenen Behörden befugt.

Der Befugnis der Ausländerbehörde zur Erhebung der Gesamtkosten steht nicht entgegen, dass § 63 Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 6 AuslG daneben auch eigene Zuständigkeiten der Grenzschutzbehörden und der Polizeien der Länder begründet, die sich u.a. auch auf den Vorgang der Abschiebung beziehen. So hat nach § 63 Abs. 4 Nr. 1 AuslG die Grenzschutzbehörde neben der Zuständigkeit für die Zurückweisung und Zurückschiebung an der Grenze u.a. auch die Zuständigkeit für "die Rückführung von Ausländern aus und in andere Staaten". Nach § 63 Abs. 6 AuslG sind auch die Polizeien der Länder u.a. für die "Durchführung der Abschiebung" zuständig. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber hieraus den Schluss gezogen, dass diese Behörden, wenn sie an einer von der Ausländerbehörde betriebenen Abschiebung mitwirken, allein wegen ihrer gleichfalls bestehenden Zuständigkeit für bestimmte Teile des Abschiebungsvorgangs jeweils als "nach § 63 zuständige Behörde" im Sinne von § 83 Abs. 4 AuslG anzusehen sind und deshalb die durch ihre Beteiligung an der Abschiebung entstandenen Kosten selbst durch gesonderten Leistungsbescheid erheben können und müssen (ebenso Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 17. März 2005 - OVG 2 L 509/02 -, gegen das ein weiteres Revisionsverfahren anhängig ist). Diese Auffassung verkennt, dass das Gesetz in den §§ 82 ff. AuslG jeweils auf die kostenrechtlich als Einheit vorausgesetzte Maßnahme entweder der Abschiebung oder der Zurückschiebung oder der Zurückweisung abstellt. § 83 Abs. 4 Satz 1 AuslG ist dementsprechend so zu verstehen, dass die für diese Maßnahme insgesamt - im Sinne der Sachherrschaft über das "Ob" der Durchführung - zuständige Behörde auch alle hierdurch verursachten, in den Absätzen 1 und 2 im Einzelnen bezeichneten Kosten durch Leistungsbescheid zu erheben hat. Lediglich dann, wenn die Grenzschutzbehörde oder die Polizei eines Landes ohne Beteiligung der Ausländerbehörde eigenständig solch eine Maßnahme, d.h. eine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung vornimmt, darf sie ihre Kosten selbst erheben.