VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 20.05.2005 - A 1 K 10900/03 - asyl.net: M7128
https://www.asyl.net/rsdb/M7128
Leitsatz:
Schlagwörter: Mauretanien, Drittstaatenregelung, Luftweg, Glaubwürdigkeit, Flüchtlingsfrauen, Haft, Inhaftierung, Oppositionelle
Normen: GG Art. 16a; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 26a Abs. 1
Auszüge:

Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung der Klägerin Ziff. 1 vor.

Die Klägerin Ziff. 1 ist nicht bereits nach Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG gehindert, sich auf das Asylgrundrecht zu berufen; denn sie ist nach der Überzeugung des Gerichts auf dem Luftweg von Dakar (Senegal) über den Flughafen Frankfurt und nicht - wovon das Bundesamt im angefochtenen Bescheid ausgeht - über einen sicheren Drittstaat auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. Die Zweifel, die das Bundesamt und zunächst auch das Gericht (vgl. den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 01.10.2003) an der Glaubhaftigkeit der geschilderten Einreise mit dem Flugzeug hatten, sind nach den schlüssigen und glaubhaften Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Verwaltungsgericht nicht mehr berechtigt. Sie hat zwar weder den bei ihrer Einreise benutzten Reisepass noch Flugunterlagen (Flugticket, Bordkarte) vorgelegt, die den Beweis der Einreise auf dem Luftweg hätten erbringen können. Sie hat jedoch bereits bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt und später in der Klagebegründung detaillierte Angaben zu den Abflugzeiten in Dakar, zu den Ankunftszeiten in Frankfurt, zur benutzten Fluggesellschaft (Condor) und zu den während des Fluges gereichten Speisen gemacht. Bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat sie auch widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargelegt, wie es ihr trotz ihres hochschwangeren Zustandes gelungen ist, an Bord des Flugzeuges zu gelangen und wie es - ausnahmsweise - möglich war, in Frankfurt ohne eigenes Vorzeigen der Papiere die Grenzkontrollen zu passieren. Das Gericht glaubt der Klägerin, dass sie durch entsprechende Bekleidung ihre Schwangerschaft verbergen konnte und dass sie sich bei den Grenzkontrollen als Ehefrau ihres weißen Begleiters ausgegeben hat und deshalb ohne eigenes Vorzeigen der Papiere durch die Grenzkontrollen gelangen konnte.

Die Klägerin hat auch glaubhaft gemacht, vor ihrer Ausreise aus Mauretanien am 09.04.2003 politischer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. Das Verwaltungsgericht ist nach der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu der erforderlichen Überzeugung gelangt, dass die geschilderte Verfolgungsgeschichte der Wahrheit entspricht. Die Klägerin hat dem Gericht eindringlich und frei von Widersprüchen und Steigerungen geschildert, dass sie sich wegen der ihrer Meinung nach weitgehend rechtlosen Stellung der Frau in der mauretanischen Gesellschaft entschlossen hat, sich politisch zu engagieren und für die Rechte der Frauen einzusetzen. Im Rahmen dieser politischen Betätigung hat sie zusammen mit anderen Frauen und mit Unterstützung des Vaters ihres Kindes sowohl am 08.03.2001 als auch am 15.12.2002 in ihrem Heimatort Veranstaltungen u. a. zur Propagierung der Frauenrechte organisiert. Dass sie die Veranstaltung am 15.12.2002 verantwortlich organisiert hat, wird durch den Aufruf belegt, den die Klägerin bereits dem Bundesamt überreicht hat. Sie hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und glaubhaft erklärt, wie sie trotz ihrer Flucht aus dem Gefängnis in Walata in den Besitz dieses Aufrufes gekommen ist. Danach wurde das Blatt mit diesem Aufruf von dem Offizier, der ihr nach einer Bestechung zur Flucht aus dem Gefängnis Walata verholfen hat, aus den über sie geführten Akten entnommen und der Klägerin während des Fluges nach Deutschland übergeben.

Wegen dieser erlittenen politischen Verfolgung hat die Klägerin durch Flucht aus dem Gefängnis in Walata ihr Heimatland Mauretanien auch verlassen. Es kann schließlich auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im Falle einer Rückkehr nach Mauretanien vor einer erneuten politischen Verfolgung sicher wäre. Es kann nicht mit der nötigen hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sie bei einer Rückkehr nach Mauretanien erneut einer asylerheblichen Behandlung durch die Sicherheitskräfte Mauretaniens ausgesetzt sein wird.