VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Beschluss vom 15.07.2005 - 6 V 1187/05.A - asyl.net: M7140
https://www.asyl.net/rsdb/M7140
Leitsatz:
Schlagwörter: Russland, Tschetschenien, Tschetschenen, Folgeantrag, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Einstweilige Anordnung, offensichtlich unbegründet, Gruppenverfolgung, interne Fluchtalternative
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 5; VwGO § 123; AsylVfG § 36 Abs. 4; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Der nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 71 Abs. 5 AsylVfG zulässige, insbesondere nicht fristgebundene Antrag hat Erfolg. Es ist geboten, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 AsylVfG vorläufig zurückzunehmen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der drohenden Abschiebung i.S.d. § 36 Abs. 4 AsylVfG bestehen, wenn nicht mit der erforderlichen Richtigkeitsgewissheit festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1-3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 5.10.1994 - 2 BvR 2333/93 - Inf-AuslR 95, S. 19 ff. (S. 22 li.Sp. oben).

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat zwischenzeitlich in seinen Entscheidungen vom 23.03.2005 - 2 A 116/03.A - und vom 30.03.2005 - Az. 2 A 114/03. A - eine auf Tschetschenien örtlich begrenzte Gruppenverfolgung von Tschetschenen bejaht und eine inländische Fluchtalternative verneint. Das Bundesamt hat diese Entscheidungen mit dem Antrag auf Zulassung der Revision angefochten, weil diese Rechtsprechung im Gegensatz zu den Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte steht (z.B. OVG Thüringen, Urt. v. 16.12.2004 - 3 KO 1003/04 - und Bayr. VGH, Urt. v. 31.01.2005 - 11 B 02.31597).

Zwar stellt eine Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich keine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar. Die hier eingetretene Änderung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung dahingehend, eine örtlich begrenzte Gruppenverfolgung begründe infolge fehlender inländischer Fluchtalternative ein Asylrecht bzw. asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 - 7 AufenthG, vermag hier möglicherweise aber einen Wandel des Bedeutungsgehalts der asylrechtlichen Gewährleistung hervorzurufen. Aufgrund der zitierten Rechtsprechung des OVG Bremen kann gegenwärtig jedenfalls nicht mehr mit der erforderlichen Richtigkeitsgewissheit davon ausgegangen werden, dass die Abschiebung sich im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird. Bei dergestalt divergierender Rechtsprechung darf ein Asylfolgeantrag daher nicht mehr als unbeachtlich behandelt werden (BVerfG, 2. Senat, 1. Kammer, Kammerbeschluss v. 08.10.1990 - 2 BvR 643/90 - Juris = NVwZ 1991, 258 - 259; BVerwG, B. v. 24.05.1995 - 1 B 60/95 - Juris = NVwZ 1995, 1097-1098).