VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Beschluss vom 17.08.2005 - 8 G 1802/05.A - asyl.net: M7217
https://www.asyl.net/rsdb/M7217
Leitsatz:

Die Vorschrift des § 14a Abs. 2 AsylVfG kann auch auf Fälle analog angewendet werden, in denen Kinder vor dem 01.01.2005 in das Bundesgebiet eingereist sind oder hier geboren wurden, wenn die Anzeige nach § 14a Abs. 2 S. 3 AsylVfG erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt.

 

Schlagwörter: Antragsfiktion, Antrag, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Anzeigepflicht, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Altfälle
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2
Auszüge:

Die Vorschrift des § 14a Abs. 2 AsylVfG kann auch auf Fälle analog angewendet werden, in denen Kinder vor dem 01.01.2005 in das Bundesgebiet eingereist sind oder hier geboren wurden, wenn die Anzeige nach § 14a Abs. 2 S. 3 AsylVfG erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Soweit der Antragsteller darauf verweist, die Vorschrift des § 14 a AsylVfG könne auf seinen Fall nicht angewandt werden und ein Asylverfahren sei wirksam nicht begründet worden, kann dem nicht gefolgt werden.

Der Antragstellerseite ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 14 a Abs. 2 AsylVfG allein die Fälle erfasst, in denen ein lediges, unter 16 Jahre altes Kind des Ausländers nach dessen Asylantragstellung in das Bundesgebiet einreist oder hier geboren wird. Gleichwohl zeigte die Ausländerbehörde zu Recht der Antragsgegnerin gemäß § 14 a Abs. 2 AsylVfG nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle am 01.01.2005 unverzüglich die Geburt des Antragstellers an. Ein solches Vorgehen entspricht nämlich dem Willen des Gesetzgebers (vgl. VG Gießen, U.v. 04.07.2005 - 8 E 1026/05.A -, S. 4 UA; dagegen offen lassend: Renner, ZAR 2004, 305, 307). Nach der Begründung zum Zuwanderungsgesetz (BT-Drs. 15/420, S. 108) soll durch die Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr verhindert werden, dass durch eine sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektiven für die Betroffenen entstehen. Damit würden auch die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- oder Härtefallregelungen weitgehend entfallen können. Auch in der Literatur wird hervorgehoben, es sei gerade die Funktion der fingierten Asylantragstellung, überlangen Aufenthaltszeiten durch eine bewusste und gewollte sukzessive Asylantragstellung vorzubeugen (Marx, AsylVfG, Komm., 6. Aufl., 2005, § 14 a Rdnr. 4). Maßgeblicher Zeitpunkt dieser Fiktion einer Asylantragstellung ist nach § 14 a Abs.2 S. 3 AsylVfG der Zugang der Anzeige beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Anzeigepflicht des Vertreters des Kindes sowie der Ausländerbehörde besteht seit dem 01.01.2005. Nicht entscheidend ist dagegen, wann die Geburt des Kindes erfolgte.

Die Ansicht, der am 01.01.2005 geltende § 14a Abs. 2 AsylVfG könne nicht auf vor diesem Datum im Bundesgebiet geborene minderjährige ledige Kinder von ehemaligen Asylbewerbern angewendet werden, da dies eine Rückwirkung von belastenden Rechtsfolgen für Sachverhalte bedeute, in denen die Gesetzesvorschrift mangels Verkündung noch nicht rechtlich existent gewesen sei (VG Göttingen, B.v. 17.03.2005 - 3 B 272/05 -, AuAS 2005, 117, 118), vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr ist insoweit darauf abzustellen, dass der Asylantrag erst mit Zugang beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und somit erst mit Wirkung für die Zukunft als gestellt gilt. Die Rechtsfolgen der Asylantragstellung entstehen somit erst ex nunc (vgl. Bell/Richert, Der Einzelentscheider-Brief 2005, Nr. 5, S. 2 f.). Überdies hat der Gesetzgeber in § 14a Abs. 3 AsylVfG die Dispositionsbefugnis der Vertreter des Kindes hinsichtlich des Asylrechts dadurch gewahrt, dass der Vertreter des Kindes jederzeit auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichten kann.