VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.2005 - 2 K 6416/03.A - asyl.net: M7226
https://www.asyl.net/rsdb/M7226
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für iranischen Staatsangehörigen wegen Unterstützung der Volksmudschaheddin.

 

Schlagwörter: Iran, Volksmudjaheddin, Glaubwürdigkeit, Haft, Demonstrationen, Todesstrafe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für iranischen Staatsangehörigen wegen Unterstützung der Volksmudschaheddin.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage im übrigen, mit der die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt werden sollen, hat Erfolg.

Der Kläger, dem schon in der Schule die Einflussnahme staatlicher Organe auf den privaten Bereich zuwider war, kam über einen Jugendfreund in Kontakt zu den Volksmudjahedin und wurde über sie und ihre Ziele informiert. Er teilte zwar nicht ihre Ideologie, entschloss sich aber, ihre politischen Ziele zu unterstützen. Bei einer Agitation während der Unruhen nach einem Fußballspiel im Oktober 2001 - unter anderem hat sein Freund die iranische Nationalflagge durch die der Volksmudjahedin ersetzt - wurde er festgenommen und blieb eine Woche lang inhaftiert. Dabei wurde er verhört und geschlagen, dann jedoch freigelassen, weil man ihm eine Verbindung zu den Mudjahedin nicht nachweisen konnte. Während der Lehrerdemonstrationen im Januar 2002 wollte er mit seinem Freund erneut zu einer Verschärfung beitragen, rief regimefeindliche Parolen und führte zudem Flugblätter der Volksmudjahedin unter dem Hemd mit sich, die als solche zu identifizieren waren ("Gruß Radjawi"). Dabei erkannte ihn dieselbe Person, die ihn wenige Monate zuvor verhaftet hatte, und versuchte, ihn erneut festzunehmen. Auf der Flucht durch die Menge verlor der Kläger bei einem Zusammenstoß mit einem Dritten die Flugblätter, konnte aber selbst entkommen.

Ist nach alledem der beschriebene Geschehensablauf der Entscheidung zu Grunde zu legen, ist eine politische Verfolgung des Klägers im Falle einer Rückkehr in den Iran hinreichend wahrscheinlich. Aktivitäten für die Volksmudjahedin führen regelmäßig zu staatlichen Zwangsmaßnahmen von asylerheblichem Gewicht. Diese Gruppierung verfolgt erkennbar den Sturz des Regimes und des islamischen Systems. Die Volksmodjahedin sind daher der "Hassgegner" der Justiz und des Staates der Islamischen Republik Iran, weil sie es als praktisch einzige Oppositionsbewegung auch heute noch schaffen, bewaffnete Anschläge im Iran durchzuführen. Sie verfügten - zumindest bis zum Einmarsch alliierter Truppen - über nachhaltigen, auch waffentechnisch-logistischen Rückhalt im Irak, außerdem betreiben sie auch im westlichen Ausland eine sehr aktive exilpolitische Oppositionstätigkeit und gefasste Anhänger oder sogar Mitglieder der Volksmodjahedin werden im Iran mit der ganzen Härte und Schärfe der für sie geltenden Gesetze behandelt, weil die Volksmodjahedin als "Verderbensstifter auf Erden" ("Monafeghin") gelten und für diesen Tatbestand im Iran die Todesstrafe vorgesehen ist. Dies liegt daran, dass es sich um eine Gruppe handelt, die mit Waffengewalt den Sturz der Regierung und der Staatsform der Islamischen Republik Iran anstrebt. Eine Beteiligung auch unterhalb konkreter Teilnahme an bewaffneten Aktionen oder einem konkreten Eingebundensein in die militärische Organisation der Volksmodjahedin durch Mitgliedschaft oder propagandistische Betätigung für die Volksmodjahedin ist im Iran höchst gefährlich und führt mindestens zu langjährigen Gefängnisstrafen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich diese Situation seit dem Sturz von Saddam Hussein wesentlich verändert hätte (vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 28. Februar 2001 an das VG Aachen; Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Iran - Information -, Mojahedin-e Khalq-e Iran (MEK), Volksmudschaheddin, April 2003; Erkenntnisse des Bundesamtes, Berichtszeitraum 1. Oktober - 30. November 2003, Dezember 2003; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. März 2004, S. 15/16).

Die Regierung geht darüber hinaus auch gegen Sympathisanten und Unterstützer der Volksmodjahedin hart vor (vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 28. Februar 2001 an das VG Aachen, vom 31. Januar 2001 an das VG Neustadt/Weinstraße und vom 22. Dezember 2000 an das VG München, Gutachten von amnesty international vom 13. Juni 2000 und vom 11. Juni 2000 an das VG München und vom 11. September 1997 an das VG Münster; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 5. Dezember 2003 - 5 A 4492/03.A -).