OLG Nürnberg

Merkliste
Zitieren als:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.07.2005 - 2 St OLG Ss 125/05 - asyl.net: M7241
https://www.asyl.net/rsdb/M7241
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafverfahren, Verstoß gegen räumliche Beschränkung, Aufenthaltsgestattung, Erlöschen, abgelehnte Asylbewerber, Auflagen, Nebenbestimmungen, Rückwirkung, Zuwanderungsgesetz
Normen: AsylVfG § 85 Nr. 2; AsylVfG § 56; AsylVfG § 67 Abs. 1 Nr. 4; StGB § 2 Abs. 3
Auszüge:

2. Die Revision ist auf die Sachrüge hin begründet. Die Feststellungen des Amtsgerichts Regensburg tragen die Verurteilung wegen eines wiederholten Verstoßes gegen eine räumliche Beschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz (§§ 56, 85 Nr. 2 AsylVfG) nicht.

2.2. Das Amtsgericht hat die Vorschrift des § 67 Abs.1 Nr. 4 AsylVfG verkannt.

Danach erlischt die Aufenthaltsgestattung, wenn eine nach dem Asylverfahrensgesetz oder nach § 52 des Ausländergesetzes (a.F.) erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Die Vollziehbarkeit ist nach der Feststellung des Amtsgerichts seit 2.2.2004 eingetreten. Damit sind auch, sämtliche in der Aufenthaltsgestaltung enthaltenen Auflagen, insbesondere auch die räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde (§ 56 Abs. 1 AsylVfG), erloschen.

Die räumlich beschränkte und mit Auflagen versehene Aufenthaltsgestattung bildet nämlich eine Einheit; denn für die Zulässigkeit einer Aufteilung der Bescheinigung in einen vom Gesetz vorgegebenen, lediglich unverbindlichen und deklaratorisch wirkenden Teil über das vorläufige Bleiberecht des Asylbewerbers einerseits und einen hiervon unabhängigen, konstitutiv Rechte und Pflichten im Einzelfall begründenden Teil anderseits lässt sich aus dem Asylverfahrensgesetz nichts entnehmen (vgl. BVerwGE 79, 291).

2.3. Ebenso wie der (zunächst) legale Aufenthalt des Angeklagten kraft Gesetzes entstand (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), erlischt das zuzuordnende Recht nach Maßgabe von § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG kraft Gesetzes, mit der Folge, dass die Aufenthaltsgestattung vom 20.4.2004 mit ihren Verlängerungen am 18.6.2004 und 19. 9.2004 sogleich erloschen ist. Eines ausdrücklichen Verwaltungsakts zur Aufhebung der Aufenthaltsgestattung - anders die Rechtslage ab 1.1.2005 - bedurfte es nicht. Infolgedessen lag bereits hinsichtlich des Verlassens des Bezirks der Ausländerbehörde am 14.3.2004 kein Erstverstoß vor, der den "Vorfall vom 16.10.2004" zu einem wiederholten Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz machen konnte, geschweige denn lag ein räumlicher Verstoß am 16.10.2004 vor.

Soweit das Amtsgericht in einer hypothetischen Betrachtung auf eine Duldung abstellt, in der "die gleichen Auflagen wie in der Aufenthaltsgestattung enthalten wären" (EU S. 4) und seine Verurteilung hierauf stützt, geht diese Argumentation fehl; denn zum einen wurde eine Duldung nach den eigenen Feststellungen erst seit 1.12.2004, mithin nach den "Tatzeitpunkten" erteilt, ohne dass im Übrigen Feststellungen über eventuelle Auflagen getroffen wurden, zum anderen läge, wäre eine Duldung mit entsprechender räumlicher Beschränkung erteilt worden, keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 93 Abs. 3 Nr. 1 AuslG (a.F.) i.V.m. § 56 Abs. 3 Satz. 2 AuslG (a.F.) vor.

2.4. An der rechtlichen Beurteilung ändert auch das seit 1.1.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 nichts.

Zwar wurde § 56 AsylVfG ab diesem Zeitpunkt dahingehend ergänzt, dass räumliche Beschränkungen auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bleiben, bis sie aufgehoben werden (§ 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG). Diese Vorschrift (in Verbindung mit §§ 56 Abs. 1 oder Abs. 2, 85 Nr. 2 AsylVfG) gilt jedoch für die gegenständlichen Taten nicht, weil gemäß § 2 Abs. 3 StGB das zur Tatzeit geltende mildere Gesetz anzuwenden ist, welches keine entsprechende Regelung enthielt.