VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 01.08.2005 - 4 B 31/05 - asyl.net: M7246
https://www.asyl.net/rsdb/M7246
Leitsatz:

Es ist zweifelhaft, ob § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf Kinder anwendbar ist, die bereits vor dem 1.1.2005 eingereist oder in Deutschland geboren worden sind.

 

Schlagwörter: Antragsfiktion, Asylantrag, Anzeigepflicht, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Vertrauensschutz, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Entscheidungszeitpunkt, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), offensichtlich unbegründet, Altfälle
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2; AsylVfG § 36 Abs. 4
Auszüge:

Es ist zweifelhaft, ob § 14 a Abs. 2 AsylVfG auf Kinder anwendbar ist, die bereits vor dem 1.1.2005 eingereist oder in Deutschland geboren worden sind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Es bestehen im Sinne des § 36 Abs. 4 AsylVfG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Juni 2005 enthaltenen Abschiebungsandrohung. Hier ist bereits ernstlich zweifelhaft, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Recht für den Antragsteller ein Asylverfahren durchgeführt hat. Der Antragsteller selbst hat keinen Asylantrag gestellt. Vielmehr hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach der Anzeige des Landkreises C. für den Antragsteller auf der Grundlage des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 14a Abs. 2 AsylVfG ein Asylverfahren eingeleitet. Es ist zweifelhaft, ob § 14a Abs. 2 AsylVfG im Falle des Antragstellers anwendbar ist. Zwar haben seine Eltern hier bereits in der Vergangenheit ein Asylverfahren betrieben und verfügen gegenwärtig nicht über einen Aufenthaltstitel. Der Antragsteller ist aber weder nach dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereist, noch wurde er nach diesem Zeitpunkt in dem Bundesgebiet geboren. Der Wortlaut des § 14a Abs. 2 AsylVfG deutet darauf hin, dass die Vorschrift nicht auf die vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geborenen minderjährigen ledigen Kinder von ehemaligen Asylbewerbern anzuwenden ist (vgl.: VG Göttingen, Beschl. v. 17.3.2005 - 3 B 272/05 -; VG Oldenburg, Beschl. v. 22.6.2005 - 11 B 2465/05 -). § 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG begründet seit dem 1. Januar 2005 eine Anzeigepflicht, wenn ein unter 16 Jahres altes Kind im Bundesgebiet geboren "wird" und stellt nicht darauf ab, dass es hier geboren "worden ist". Es existiert auch keine Übergangsregelung, die klarstellte, ob § 14a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 im Bundesgebiet geborene Kinder anzuwenden ist. Andererseits stellt sich die Frage, ob Sinn und Zweck der Regelung zu verhindern, dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland entstehen, auf den Willen des Gesetzgebers schließen lassen, auch die sog. "Altfälle" zu erfassen. Zu erwägen ist weiter, ob die das Verfahren betreffende Vorschrift des § 14a Abs. 2 AsylVfG für den Antragsteller überhaupt eine Belastung darstellt und inwieweit sein Vertrauen auf das Beibehalten der alten Rechtslage schutzbedürftig ist. Die abschließende Klärung dieser Rechtsfragen ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.