VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Urteil vom 09.06.2005 - 2 E 954/04.A - asyl.net: M7247
https://www.asyl.net/rsdb/M7247
Leitsatz:

Regelmäßig kein Schutz durch die afghanische Regierung vor Blutrache oder anderen Racheakten.

 

Schlagwörter: Afghanistan, Sicherheitskräfte, Polizei, mittelbare Verfolgung, nichtstaatliche Verfolgung, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Khad, Racheakte, Blutrache
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Regelmäßig kein Schutz durch die afghanische Regierung vor Blutrache oder anderen Racheakten.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Entgegen der Entscheidung des Bundesamtes in seinem angegriffenen Bescheid ist der Kläger als Asylberechtigter anzuerkennen und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festzustellen.

Ausgehend von der den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des BVerfG zu den Voraussetzungen einer Asylanerkennung, namentlich den Anforderungen an eine staatliche Verfolgung einerseits, der Erkenntnis- und Beurteilungslage, wie sie vom Hess. VGH (U. v. 11.11.2004 - 3 E 536/00.A -; B. v. 11.04.2005 - 8 UZ 2313/04.A) zugrunde gelegt wird andererseits und schließlich dem Inhalt der aktuellen Auskunft des Auswärtigen Amtes geht das erkennende Gericht davon aus, dass in Afghanistan staatliche Machtstrukturen vorhanden sind, die mithin auch Träger politischer Verfolgung sein können. Hieraus folgt für das vorliegende Verfahren, dass sowohl von einer zentralen Staatsmacht für wesentliche Bereiche Afghanistans als auch zugleich von lokalen quasi-staatlichen Machtstrukturen auszugehen ist mit der Folge, dass der Kläger durchaus Opfer staatlicher bzw. quasi-staatlicher Verfolgung werden kann. Diese Befürchtung, die der Kläger hegt, ist am Maßstab zu messen, der für denjenigen gilt, der seine Heimat aufgrund politischer Verfolgungsmaßnahmen, wie dies bei der Klägerin der Fall ist, verlassen hat: Eine Rückkehr ist danach nur zumutbar, wenn eine Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist. Von dieser hinreichenden Sicherheit kann aber im vorliegenden Einzelfall gerade nicht ausgegangen werden.

Aufgrund des in sich schlüssigen, nachvollziehbaren und glaubhaften Vorbringen des Klägers, dass in entscheidungserheblichen Umständen durch die Zeugenaussage bestätigt wird, müsste der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat mit erneuten Nachstellungen rechnen. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass diejenigen, die ihm nach dem Leben trachten, zwischenzeitlich im Polizeidienst tätig sind. Es kommt hinzu, dass der Kläger auch nicht zu jenen herausgehobenen Personen zählt, denen die Regierung Karzai Schutz angedeihen lassen könnte.