OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 24.05.2005 - 20 W 188/05 - asyl.net: M7283
https://www.asyl.net/rsdb/M7283
Leitsatz:

Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt voraus, dass der betroffene Ausländer in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Das ist im Falle der Zurückweisung gerade nicht der Fall.

 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zurückweisungshaft, Zurückweisung, Anhörung, Verfahrensmangel, Sachaufklärung, Landgericht, Einreise
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; FEVG § 5; FEVG § 7; AufenthG § 15 Abs. 4 S. 1; AufenthG § 13 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt voraus, dass der betroffene Ausländer in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Das ist im Falle der Zurückweisung gerade nicht der Fall.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die landgerichtliche Entscheidung kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Betroffenen nicht mündlich angehört hat (zur Bedeutung der persönlichen mündlichen Anhörung im Abschiebungshaftverfahren vgl. BVerfG NVwZ-Beil.1996, 49 = AuAS 1996, 85 = InfAuslR 1996, 198 = ZAR 1996, 141).

Das Landgericht darf grundsätzlich nicht von der mündlichen Anhörung des betroffenen Ausländers absehen. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der §§ 5 und 7 FEVG (vgl. OLG Brandenburg NVwZ-Beil. 2000, 22). In der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht deshalb heute Übereinstimmung dahin, dass die mündliche Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz nur ausnahmsweise unterbleiben darf, etwa, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass die erneute Anhörung neue Erkenntnisse bringt; die Nichtanhörung ist durch das Landgericht näher zu begründen (vgl. zur mündlichen Anhörung in der Beschwerdeinstanz BayObLG NVwZ 1992, 814; NVwZ 1993, 103; NVwZ-Beil. 1995, 39; OLG Dresden = InfAuslR 1995, 162; OLG Celle OLG Celle InfAuslR 2001, 346; Nds.Rpfl. 1995, 214 und in der Sache 17 W 15/01 dokumentiert bei Juris; OLG Düsseldorf NVwZ-Beil. 1996, 31 = InfAuslR 1996, 146; FGPrax 1998, 200; OLG Hamm FGPrax 1997, 77 = NVwZ-Beil. 1997, 39 LS; Kammergericht FGPrax 1998, 242; Senat 20 W 203/91 = OLGZ 1992, 171 = NVwZ 1992, 302 = InfAuslR 1992, 13; 20 W 538/95 = NVwZ-Beil. 1996, 40; OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 2003, 264; OLG Zweibrücken InfAuslR 2005, 60).

Die landgerichtliche Entscheidung kann aber auch deshalb keinen Bestand haben, weil es seiner Entscheidung den Haftgrund nach den §§ 15 Abs. 4 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zugrundegelegt hat.

Zwar sieht § 15 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ebenso wie bisher § 60 Abs. 5 Satz 1 AuslG die Sicherung der Zurückweisung durch Haft vor indem es die Vorschrift über die Abschiebungshaft (§ 62 AufenthG/§ 57 AuslG) für entsprechend anwendbar erklärt, doch bedeutet dies nicht, dass alle dort aufgeführten Haftgründe im Falle der Zurückweisung in Betracht kommen.

Der vom Landgericht angenommene Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt u.a. voraus, dass der betroffene Ausländer nach Deutschland eingereist ist. Das ist bei der Zurückweisung gerade nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat dies jetzt durch § 13 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausdrücklich klargestellt. Danach kann die Haftanordnung bei einer Zurückweisung nicht auf § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützt werden. Dagegen können zur Sicherung der Zurückweisung die Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5, Satz 2 AufenthG in Betracht kommen (vgl. dazu GK-AuslR § 60 AuslG Rn. 76 und GK-AufenthG § 15 Rn. 78).