VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 13.06.2005 - A 2 K 12290/03 - asyl.net: M7288
https://www.asyl.net/rsdb/M7288
Leitsatz:

Fluchtalternative für Nordkoreaner in Südkorea.

 

Schlagwörter: Demokratische Volksrepublik Korea, Nordkorea, Staatsangehörigkeit, Mehrstaatigkeit, Südkorea (A), Demokratische Republik Korea (A), Genfer Flüchtlingskonvention
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; GFK Art. 1 A Nr. 2
Auszüge:

Fluchtalternative für Nordkoreaner in Südkorea.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig, soweit in Nr. 2 festgestellt wird, dass hinsichtlich der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 (jetzt: § 60 Abs. 1 AsylVfG) vorliegen. Die Beigeladenen haben entgegen der Auffassung des Bundesamtes auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass diese Voraussetzungen vorliegen.

b) Aber auch wenn man davon ausgeht, dass die Beigeladenen Staatsangehörige von Nordkorea sind, führt dies nicht dazu, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen ist. Diese Vorschrift nimmt ausdrücklich Bezug auf das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559), die Genfer Flüchtlingskonvention (GK). Ihr Anwendungsbereich stimmt mit dem Flüchtlingsbegriff in Art. 1 A Nr. 2 GK überein (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.1992, - 1 C 21.87 -, BVerwGE 89, 296, 301 zu § 51 Abs. 1 AuslG). Die Rechtsstellung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GK und die daraus folgende Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG setzt - ebenso wie der Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG - voraus, dass die betreffende Person schutzlos ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.08.1996, - 9 C 172.95 -, BVerwGE 101, 328, 335). Schutzlos ist eine Person aber nur, solange sie anderweitig keinen wirksamen staatlichen Schutz genießt. Ein Asylanspruch besteht deshalb nicht, wenn der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist, ihn gegen Verfolgungsmaßnahmen wirksam zu schützen. Dieser Grundsatz der Subsidiarität liegt nicht nur dem Asylrecht nach Art. 16a Abs. 1 GG zu Grunde, sondern folgt auch aus der Flüchtlingsdefinition in Art. 1 A Nr. 2 GK. Danach sind Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, nur dann Flüchtlinge, wenn sie den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der begründeten Furcht vor Verfolgung nicht in Anspruch nehmen wollen. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn eine Personen mehr als eine Staatsangehörigkeit hat. Für diesen Fall bezieht sich der Ausdruck "das Land, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt", auf jedes der Länder, deren Staatsangehörigkeit sie hat. Eine Personen gilt nicht als des Schutzes eines Landes beraubt, dessen Staatsangehörigkeit sie hat, wenn sie ohne einen stichhaltigen, auf eine begründete Befürchtung gestützten Grund den Schutz eines der Länder nicht in Anspruch genommen hat, deren Staatsangehörigkeit sie besitzt (vgl. Art. 1 A Nr. 2 a.E. GK).

Diese Voraussetzungen liegen bei den Beigeladenen nicht vor. Sie besitzen die Staatsangehörigkeit der Republik Korea (Südkorea), und es ist ihnen auch zumutbar, den Schutz dieses Staates in Anspruch zu nehmen.

Nach den Erkenntnissen, die dem Gericht vorliegen, ist davon auszugehen, dass koreanische Volkszugehörige, welche die nordkoreanische Staatsangehörigkeit besitzen, aber nicht chinesische Staatsangehörige sind, auch die südkoreanische Staatsangehörigkeit besitzen und in Südkorea nicht schutzlos sind. Das Staatsangehörigkeitsrecht der Republik Korea (Südkorea) knüpft die Staatsangehörigkeit an die Geburt auf dem Staatsgebiet Südkoreas, dass gem. Art. 3 der südkoreanischen Verfassung auch das Territorium der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) umfasst. Demnach ist jede in Nordkorea geborene Person auch Staatsangehöriger der Republik Korea (Südkorea). Dies gilt auch dann, wenn die Person sich auf längere Zeit in einem Nachbarland aufhält, solange sie keine andere Staatsangehörigkeit erwirbt (vgl. Botschaft der Republik Korea, Auskunft an VG Karlsruhe vom 18.06.2004; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Karlsruhe vom 18.06.2004, Az. 508-516.80/42806; Auskunft an VGH Mannheim vom 29.06.2004, Az. 508-516.80/42651).

Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes wird diese Praxis von anderen Staaten nicht angezweifelt. Sie ist auch innerstaatlich wirksam und stellt keinen Verstoß gegen allgemeine Regel desVölkerrechts dar (vgl. dazu VG Karlsruhe, Urteil v. 14.10.2004, - A 11 K 11349/03 und A 11 K 10973/04 m.w.N. zitiert nach juris; nicht rechtskräftig).

Die Beigeladenen haben auch die Möglichkeit, den Schutz der Republik Korea (Südkorea), deren Staatsangehörige sie sind, tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Südkorea nimmt nach wie vor nordkoreanische Flüchtlinge als eigene Staatsangehörige auf. In der Praxis benötigt jeder Nordkoreaner, der über ein Drittland nach Südkorea einreisen möchte, die vorherige Einwilligung der südkoreanischen Behörden. Das Prüfungsverfahren wird über die südkoreanische Auslandsvertretung durchgeführt, ist also auch von Deutschland aus möglich.