VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 24.08.2005 - 2 K 10577/05 - asyl.net: M7290
https://www.asyl.net/rsdb/M7290
Leitsatz:

Keine Ablehnung als offensichtlich unbegründet bei Einleitung eines Asylverfahrens aufgrund der Antragsfiktion des § 14 a AsylVfG für ein vor dem 1.1.2005 eingereistes oder in Deutschland geborenes Kind.

 

Schlagwörter: Antragsfiktion, Antrag, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, offensichtlich unbegründet, ernstliche Zweifel, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylVfG § 14a; AsylVfG § 30
Auszüge:

Keine Ablehnung als offensichtlich unbegründet bei Einleitung eines Asylverfahrens aufgrund der Antragsfiktion des § 14 a AsylVfG für ein vor dem 1.1.2005 eingereistes oder in Deutschland geborenes Kind.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 VwGO und §§ 75, 34 Abs. 1, 36 Abs. 3 AsylVfG statthaften und auch ansonsten zulässigen Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen die Abschiebungsandrohungen sind auch begründet.

Das Gericht hat ernstliche Zweifel an der Ablehnung der Anträge als gerade offensichtlich unbegründet und an der Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für den Erlass der Abschiebungsandrohungen.

Es stellt sich nämlich derzeit als in der Rechtsprechung nicht geklärt dar, ob die Antragsteller überhaupt Asylantragsteller sind. Nur dann ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch zum Erlass einer Abschiebungsandrohung und zur Entscheidung über das Vorliegen des Asylrechts und von Abschiebungsverboten überhaupt ermächtigt.

Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte dürfen nur dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen kein vernünftiger Zweifel besteht und sich die Antragsablehnung nach allgemeiner Rechtsauffassung nach Stand von Rechtsprechung und Lehre geradezu aufdrängt.

Die Darstellung der verschiedenen Ansichten zur Anwendbarkeit des § 14a AsylVfG auf vor dem 01.01.2005 geborene oder eingereiste Kinder, deren Eltern vor dem 01.01.2005 einen Asylantrag gestellt hatten, zeigt, dass eine allgemeine Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre zu dieser Frage derzeit nicht besteht. Dies wäre aber nach den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den Begriff der Offensichtlichkeit des § 30 AsylVfG Voraussetzung für die Ablehnung eines Antrags als offensichtlich unbegründet (vgl. nur: BVerfG, Beschl. v. 21.07.2000 - 2 BvR 1429/98 -, NVwZ 2000, Beilage Nr 12, 145; Beschl. v. 12.07.1983 - 1 BvR 1470/82 -, BVerfGE 65, 76 ff.).

Daher bestehen ernstliche Zweifel sowohl an der Entscheidung, dass die Asylanträge der Antragsteller offensichtlich unbegründet sind, schon deswegen, weil ernstliche Zweifel am Vorliegen eines fiktiven Asylantrags nach § 14a AsylVfG bestehen. Daher bestehen auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ergangenen Abschiebungsandrohungen, da die Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge offen ist. Eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist vor dem Hintergrund des dargestellten Prüfungsmaßstabes nicht nötig (so auch VG Lüneburg, Beschl. v. 01.08.2005 - 4 B 31/05), da die Offenheit der Beantwortung dieser Rechtsfrage schon Anlass zu ernstlichen Zweifeln im Sinne Art. 16a Abs. 4 GG bietet.