OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.10.2005 - 18 B 1526/05 - asyl.net: M7332
https://www.asyl.net/rsdb/M7332
Leitsatz:

Eine Ordnungsverfügung mit der Aufforderung zur Abgabe von Fingerabdrücken für die Passbeschaffung kann auf § 48 Abs. 3 AufenthG oder jedenfalls auf die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt werden.

 

Schlagwörter: Passlosigkeit, Mitwirkungspflichten, Fingerabdrücke, Ordnungsverfügung, Ermächtigungsgrundlage, Passbeschaffung, Anhörung, Heilung, Widerspruch, Verfahrensmangel, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwVfG § 28; VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3; VwVfG § 45 Abs. 2; AufenthG § 48 Abs. 3; OBG NRW § 14 Abs. 1; AufenthG § 3 Abs. 1
Auszüge:

Eine Ordnungsverfügung mit der Aufforderung zur Abgabe von Fingerabdrücken für die Passbeschaffung kann auf § 48 Abs. 3 AufenthG oder jedenfalls auf die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW gestützt werden.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beschwerde ist nicht begründet. Aus den von den Antragstellern dargelegten, gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Senat nur zu prüfenden Gründen, die sich ausschließlich gegen die in der Ordnungsverfügung vom 5. August 2005 enthaltene Grundverfügung richten, ergibt sich nicht, dass die Ablehnung der Anträge auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen die vorgenannte Ordnungsverfügung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht erfolgt ist.

Der von den Antragstellern geltend gemachte Anhörungsmangel ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Februar 2002 - 18 B 693/00 - und vom 19. August 2005 - 18 B 1170/05 -) schon deshalb unerheblich, weil eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG NRW - dann nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bis zur Entscheidung der Widerspruchsbehörde führt, wenn - wie hier - die Anhörung (zumindest) noch mit heilender Wirkung nachgeholt werden kann (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW). Anderes könnte allenfalls dann in Erwägung zu ziehen sein, wenn eine befristete Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erforderlich sein sollte, um zu gewährleisten, dass ein Antragsteller überhaupt die Möglichkeit zu einer Äußerung hat, bevor eine später nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme vollzogen wird. Ein solcher Fall liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil die fragliche Verfügung umfassend begründet war und die Antragsteller damit Gelegenheit hatten, sich zu allen relevanten Punkten zu äußern.

Auf welche der vom Verwaltungsgericht in Erwägung gezogenen Ermächtigungsgrundlagen sich die im Streit stehende Ordnungsverfügung, durch die die Antragsteller zur Abgabe von Fingerabdrücken verpflichtet werden, stützen lässt, durfte das Verwaltungsgericht als offen betrachten. Allerdings kann nicht zweifelhaft sein, die Mitwirkungspflicht der Antragsteller an der Beschaffung von Identitätspapieren und damit auch bezüglich der hier streitigen Handlungspflicht in § 48 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - zu sehen. Hierin hat der Gesetzgeber die Pflicht des Ausländers, bei der Beschaffung eines Identitätspapieres mitzuwirken, neu in das Ausländerrecht aufgenommen (gl. BT-Drucksache 15/420, 88).

Die Regelung erfasst zum einen alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen und nicht nur die von der 2. Alternative der Vorschrift angesprochenen Urkunden und sonstigen Unterlagen, und zum anderen - entgegen der Ansicht der Antragsteller - mit dem "Identitätspapier" nicht nur den Pass oder Passersatz, sondern darüber hinaus auch sonstige Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller, sofern sie - wie hier - zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörde bei der Geltendmachung und Durchsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen (vgl. dazu auch Tz. 48.3.1 und 48.3.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz).

Soweit diese - abstrakt generell geltende - Vorschrift - zwar eine Mitwirkungspflicht normiert, aber selbst in Verbindung mit § 46 Abs. 1 AufenthG keine Ermächtigung für die Ausländerbehörde enthalten sollte, die Mitwirkungspflicht im Falle einer Nichtbefolgung mittels Verwaltungsakt für den einzelnen Ausländer zu konkretisieren, ergäbe sich diese Befugnis jedenfalls aus der allgemeinen gefahrensabwehrrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG NRW. Da die Ausländerbehörde insoweit in ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörde tätig wird (vgl. § 1 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerwesen vom 15. Februar 2005 (GV NW 2005, 50)) und bei einer - alternativ unterstellten - fehlenden Ermächtigungsgrundlage im Aufenthaltsgesetz eine Verdrängung der Generalklausel durch speziellere Regelungen nicht ersichtlich wäre, stünde gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 OBG NRW der Rückgriff auf sie offen (so auch Senatsbeschluss vom 9. Februar 2004 - 18 B 811/03 -, DÖV 2004, 666 = NVwZ-RR 2004, 689 = EZAR 060 Nr. 12).

Zudem verkennen die Antragsteller, dass es ihre ureigene Angelegenheit ist, sich bei der für sie zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt zu den Obliegenheiten eines Ausländers (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG).