VG Bremen

Merkliste
Zitieren als:
VG Bremen, Beschluss vom 01.09.2005 - 4 V 1405/05 - asyl.net: M7402
https://www.asyl.net/rsdb/M7402
Leitsatz:

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG bei Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit.

 

Schlagwörter: Staatsangehörigkeit, Verlust, Entziehung, Türken, Wohnsitz, Übergangsregelung, Vertrauensschutz
Normen: StAG § 25; GG Art. 16 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG bei Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Eilantrag der Antragstellerin, die am 31.03.1999 in die deutsche Staatsangehörigkeit eingebürgert worden war und durch den Beschluss des Ministerrates der Republik Türkei vom 21.04.2000, Nr. 2000/497 die türkische Staatsbürgerschaft (wieder) erworben hat, ist voraussichtlich zulässig, aber unbegründet.

Ein beabsichtigter Eilantrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit bietet jedenfalls in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil die Antragstellerin gemäß § 25 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit regelnden § 25 StAG.

Der Unterschied zu der Vorgängerregelung des § 25 Abs. 1 RuStAG besteht allerdings darin, dass die sogenannte Inlandsklausel durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.07.1999 weggefallen ist.

Mit dem Wegfall der Inlandsklausel ist auch kein - wie z.T. im Schrifttum geäußert - antitürkisches Maßnahmegesetz erlassen worden. Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung insoweit entnehmen, dass die Inlandsklausel häufig dazu benutzt worden sei, den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung dadurch zu unterlaufen, dass die vor der Einbürgerung aufgegebene ausländische Staatsangehörigkeit nach der Einbürgerung wieder erworben wurde. Durch die Beseitigung der Inlandsklausel werde diese Missbrauchsmöglichkeit aufgehoben (BT-Drs. 14/533, S. 15). Dagegen spricht aber bereits der Umstand, dass auch unter der Geltung des RuStAG in bestimmten Fällen, die Inlandsklausel nicht zur Anwendung kam. Insofern war im Falle des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit stets zu prüfen, ob Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens vom 06.05.1963 über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern - MstÜbk. - (BGBl. 1969 II, S. 1953), welches die Bundesrepublik Deutschland erst am 20.12.2001 gekündigt hat (BGBl. 2002 II, S. 171) und am 21.12.2002 für Deutschland außer Kraft getreten ist (Art. 12 Abs. 3 MstÜbk.), zur Anwendung kam. Art. 1 Abs. 1 des MstÜbk. sah vor, dass Volljährige Staatsangehörige einer Vertragspartei, die infolge einer ausdrücklichen Willenserklärung die Staatsangehörigkeit einer anderen Vertragspartei erwerben, ihre vorherige Staatsangehörigkeit verlieren und die Beibehaltung ihrer vorherigen Staatsangehörigkeit ihnen zu untersagen ist. Art. 1 Abs. 1 des MstÜbk. sah den Verlust der jeweiligen Staatsangehörigkeit vor, ohne dass eine Inlandsklausel vorgesehen war. Dies galt auf Seiten der deutschen Vertragspartei jedenfalls seit dem 01.01.1975, nachdem die Bundesrepublik Deutschland ihren Vorbehalt nach Art. 8 des MstÜbk. zurückgenommen hatte (vgl. zur alten Rechtslage Makarov/von Mangoldt, Dt. Staatsangehörigkeitsrecht, Stand Juni 1998, § 25 RuStAG RdNr. 22 ff.; Marx in StAR GK § 25 RdNr. 59,60). Da die Türkei - neben weiteren Staaten - nicht Vertragspartei des MstÜbk. war, waren die deutsch Eingebürgerten türkischer Herkunft mit dem Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit faktisch "privilegiert". Insofern handelt es sich bei dem Wegfall der Inlandsklausel nicht um eine einseitige Verschärfung, sondern um die Beseitigung einer Regelungslücke, da eine rechtliche Privilegierung nicht gewollt war. Der Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit zieht sich vielmehr seit jeher durch das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht. Die Antragstellerin kann deshalb nicht damit gehört werden, dass die Rechtslage zum Zeitpunkt der Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit am 19.04.1999 es ihr erlaubt habe, die türkische Staatsangehörigkeit wiederzuerwerben, wenn sie ihren Wohnsitz in Deutschland beibehielt.

Der Antragstellerin - und darum dürfte es ihr im Kern gehen - steht kein Vertrauensschutz zur Seite. Unabhängig davon, ob der Antragstellerin im Zeitpunkt der Beantragung des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit persönlich die anstehende Gesetzesänderung bekannt war und ob sie die mehr oder weniger in der Öffentlichkeit geführte Diskussion darüber verfolgt hat oder nicht - dies spielt rechtlich grundsätzlich keine Rolle -, sind der beigezogenen Behördenakte genügend Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass es der Antragstellerin bewusst gewesen sein muss, dass eine doppelte Staatsangehörigkeit nicht in Betracht kommt.